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Fall Gustl Mollath: "Kein Justizirrtum, sondern ein politischer Skandal"

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Dr. Wilhelm Schlötterer (li.) und Dr. Martin Runge kurz vor Beginn der Veranstaltung im Gespräch. © Dieter Metzler

Gernlinden – „Wegen einer Straftat kommt man nicht in die Psychiatrie, sondern ins Gefängnis“. Für Dr. Wilhelm Schlötterer, ehemaligem Ministerialrat aus dem bayerischen Finanzministerium und Autor des Strauß-Buches „Macht und Missbrauch“ ist es kein Justizirrtum, sondern ein politischer Skandal.

Ein Skandal, in dem die bayerische Justizministerin Beate Merk „den Landtag getäuscht und Beweise unterschlagen hat“, so Dr. Schlötterer zum Fall Gustl Mollath, der seit Herbst 2011 in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wird. So stieß dann auch die gemeinsame Veranstaltung des Fürstenfeldbrucker Kreisverbandes und des Ortsverbandes Maisach B90/Die Grünen mit dem Titel „Vertuschen, Lügen und Betrügen – Was im CSU-Staat so alles möglich ist“ auf großes Interesse. Gut 150 Bürgerinnen und Bürger hatten sich im Saal des Gernlindener Bürgerhauses eingefunden. 

Bevor der frühere Staatsbeamte, der sich mit dem Fall von Gustl Mollath intensiv auseinandergesetzt, etliche Dossiers erstellt und den in der Bayreuther Psychiatrie einsitzenden Mollath besucht hat, seine Aussagen untermauerte, rief der Landtagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Martin Runge, die Chronologie der Causa Mollath in Erinnerung. Mollath hatte im Jahr 2003 gegenüber der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Mitarbeiter der HypoVereinsbank und eine Reihe ihrer Kunden wegen Steuerhinterziehung und Schwarzgeld-Verschiebung in die Schweiz angezeigt und detaillierte Informationen beigefügt. Unter den Beschuldigten war auch seine schon damals von ihm getrennt lebende Ehefrau. Ermittlungen der Justiz gab es nicht. Stattdessen geriet Mollath in Bedrängnis. Seine Ehefrau beschuldigte ihn, sie misshandelt zu haben. Eigentlich ein Fall für das Strafgericht. 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach Mollath im August 2006 zwar von den Vorwürfen der Körperverletzung und Sachbeschädigung frei, ordnete aber zugleich eine Unterbringung Mollaths wegen Gemeingefährlichkeit in einer Bezirksklinik an. Die Staatsanwaltschaft hatte damals keine Ermittlungen eingeleitet. Im Jahr 2011 bestätigte eine Untersuchung der Bank nach internen Ermittlungen manche Vorwürfe Mollaths. Die Ex-Frau Mollaths und andere Mitarbeiter wurde entlassen. Dr. Schlötterers Hauptargument: „Mollath wurde für paranoid erklärt, ohne seine Vorwürfe jemals wirklich zu prüfen.“ Nach Ansicht von Dr. Schlötterer soll „hier einer mundtot gemacht werden“. 

Offenbar hat die Psychiatrisierung unliebsamer Zeitgenossen auch anderswo Methode, berichtete Dr. Schlötterer von fünf hessischen Finanzbeamten, die ebenfalls alle als paranoid abgestempelt wurden, weil sie sich mit 30 Kollegen gegen rechtswidrige Weisungen gewehrt hatten. „Das kann nicht sein, denn Paranoia ist nicht ansteckend“, meinte Dr. Schlötterer dazu. Seine Ermittlungen haben ergeben, dass  sowohl das  Urteil, als auch das Gutachten falsch seien. Dr. Schlötterer vermutet in der Einweisung von Mollath in die Psychiatrie sogar ein „von ganz oben gesteuertes Komplott“. Immerhin seien Strafanzeigen missachtet worden, so das CSU-Mitglied Dr. Schlötterer. Bis zuletzt hat Justizministerin Beate Merk das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, Finanzbehörden, Gerichten und „Gutachtern“ im Fall Gustl Mollath für korrekt erklärt. 

Unterstützt wurde und werde  Merk hierbei von Spitzenbeamten aus der Justiz und der Finanzverwaltung, so die Grünen. „Bei nicht wenigen Beobachtern der einschlägigen Debatten, Auseinandersetzungen und Presseverlautbarungen macht sich der Eindruck breit, dass hier vernebelt, getrickst und getäuscht, ja die Unwahrheit gesagt wird“, so Dr. Runge. Es müsse aufgeklärt werden, warum nach Bekanntwerden neuer Tatsachen vor anderthalb Jahren nicht sofort ein Wiederaufnahmeverfahren gestellt worden sei, fordern die Grünen und Freien Wähler im bayerischen Landtag.

Außerdem sei die Frage, weshalb Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung bis 2006 Anzeigen und Hinweisen Mollaths zu anonymisierten Kapitaltransfers in die Schweiz, hinter denen wohl Schwarzgeld und Steuerhinterziehung steckten, nicht hinreichend nachgegangen seien. Seit Monaten diskutiert die Opposition im bayerischen Landtag über einen Untersuchungsausschuss.

Dieter Metzler 

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