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Frankreich vor der Wahl – B5-Chef Manfred Stocker hielt sich bei seinem Vortrag in Eichenau mit einer Prognose zurück

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B5 aktuell-Chef Max Stocker sprach in Eichenau zur bevorstehenden Präsidentenwahl in Frankreich: Noch sind die Wahlzettel dort so leer wie die Winterbäume hier im Hintergrund. Foto: Günter Schäftlein
B5 aktuell-Chef Max Stocker sprach in Eichenau zur bevorstehenden Präsidentenwahl in Frankreich: Noch sind die Wahlzettel dort so leer wie die Winterbäume hier im Hintergrund. Foto: Günter Schäftlein

Eingeladen zum erneuten Mal vom Deutsch-Französischen Freundeskreis um Ridha Djebali kam B5 aktuell-Chefredakteur Max Stocker in die Josef-Dering-Schule, um über Frankreich vor einem brisanten politischen Wahlausgang zu sprechen. Am 22. April und 6. Mai 2012 stehen die beiden Wahlgänge um den künftigen Präsidenten der "Grande Nation" an.

Stocker ist Frankreichkenner durch und durch; er arbeitete hier 1996-2001 als Korrespondent für die ARD-Sender. Seine Meinung: „Franzosen wählen im ersten Wahlgang mit dem Herzen … im zweiten mit dem Kopf.“ Aber sie wählen bei den Präsidentschaftswahlen verlässlich hochprozentig: Max Stocker erinnerte an das Wahljahr 2002 zur Präsidentschaft (erstmals wurde der Präsident für 5 Jahre gewählt, vorher waren es 7 Jahre). Der amtierende Jacques Chirac erreichte in der Stichwahl 2002 mit dem überragenden Ergebnis von 82,2% gegen den rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen seine Wiederwahl, obwohl beide im ersten Wahlgang ziemlich knapp beieinander lagen: Chirac mit 19,9%, Le Pen mit 16,9% - und damit war der Sozialist Lionel Jospin mit 16,2 hauchdünn abgehängt. Aber: „Im zweiten Wahlgang hatte sich dann der „Kopf“ deutlich durchgesetzt!“ 2012 hat die Le Pen-Tochter und Rechtsanwältin Marine durchaus Chancen, mit 15 bis 20% Stimmenanteil im ersten Wahlgang ebenfalls in eine Stichwahl zu rutschen. Sie verkauft mit Charme verbrämte rechtsextreme Zielsetzungen. So sehr liegen die beiden Führenden mit Francois Hollande (Sozialisten) und dem Amtsverteidiger Nicolas Sarkozy (UMP) nicht in Front. „Manchmal“, so Frankreichkenner Stocker, „entscheiden noch Vorkommnisse auf der Ziellinie.“ Noch im Herbst 2011 sah es nach einem glatten Durchmarsch für den PS-Mann Hollande aus, als der in den USA moralisch verunglückte „DSK“ (Dominique Strauss-Kahn) als Kandidat nicht mehr zur Debatte stand und sich Hollande in einer Vorwahl im 2. Wahlgang am 16. Okt. 2011mit 56% gegen die PS-Vorsitzende der Sozialisten,. Martine Aubry, durchsetzte. An dieser Vorwahl konnten sich alle Franzosen beteiligen, was dem Kandidaten viel Sympathie einbrachte. Und dem französischen Volk versprach er dazu, als Staatspräsident die Atommeiler mit ihrem Stromanteil von 75% auf 50% abzurüsten. Für umweltbewusster gewordene Franzosen durchaus ein Argument - erst recht für die Grünen im Parlament mit 2 bis 4% Stimmenanteil. Hollande konnte nachlegen, in dem er dem Amtsinhaber Sarkozy die Ratingabwertung Frankreichs durch Standard & Poor's aufgrund seiner Wirtschaftspolitik anlastete. Der Sozialist versprach eine große Steuerreform zu Lasten der Besserverdienenden - die unter Nicolas Sarkozy erst entlastet wurden. Die sich daraus voraussichtlich ergebenden 29 Mrd. Euro sollten dann für mehr soziale Gerechtigkeit, eine höhere Bildungsinvestition und die Schaffung neuer Arbeitsplätze eingesetzt werden. Spätestens hier begannen die guten Zahlen für Francois Hollande - der ja mit der 2007 gescheiterten Präsidentschaftsbewerberin Ségulène Royal liiert war und mit ihr vier Kinder hat - zu bröckeln. Die Franzosen sind bei aller Begeisterungsfähigkeit auch Realisten und fragten sich, wie Hollande denn das alles ohne einschneidende Veränderungen, die wehtun, erreichen will. Die UMP des Sarkozy-Lagers hält dem Sozialisten eh Unseriösität, rote Zahlen und eine noch höhere Staatsverschuldung vor. Der im tieferen Keller der Popularität bis dahin ausharrende Nicolas Sarkozy konnte wieder etwas Luft schöpfen. Er werde sich sowieso aus der Politik zurückziehen, sollte man ihn nicht als Amtsinhaber bestätigen. Mit ihrer Sympathiebezeugung für ihn - davon ist BR-Mann Max Stocker überzeugt - habe Bundeskanzlerin Angela Merkel ihm keinen Dienst erwiesen, denn „Die Franzosen brauchen für ihre Wahl keine Empfehlung von außen!“ So etwas würde sich eher ins Gegenteil verkehren. Aber, es gäbe da noch einen vierten, gemäßigten und bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten mit Aussichten: Francois Bayrou von der MoDem, der immerhin 2007 im 1. Wahlgang 18,6% und damit den 3. Platz erreichte. Und: Nicht zu vergessen Jean-Luc Mélenchon von der „Front de gauche“, ein Wahlbündnis der radikalen Linken mit einem Wahlanteil in bisherigen Umfragen von etwa 10%. Gefragt nach dem Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen bei einer Veränderung in der präsidialen Führung urteilt Max Stocker „Das Miteinander bleibt intakt, egal, ob sich da gegenseitige Parteiausrichtungen gegenüberstehen, das hat schon die Vergangenheit bewiesen. Natürlich schauen die Franzosen manchmal etwas neidisch auf unsere Exporterfolge. Dafür sind sie uns in anderen Hinsichten - und nicht nur bei der Eisenbahn - überlegen, vergessen aber, ihr wunderschönes Land in der Touristik stärker zu bewerben. Die Nichtanpassung Frankreichs an die internationalen Märkte ist aber ihre eigentliche wirtschaftliche Schwäche.“

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