Weltstadt Kaufbeuren dank Kunstreiter

Kaufbeuren – Sie wollten es anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens im Stadtsaal „krachen lassen“, wie Heinz Spöcker, Vizepräsident der Kunstreiter e. V. Kaufbeuren, bereits beim Buronia-Ball 2015 angekündigt hatte – und das haben sie getan.
Rund 350 Gäste in großer Abendgarderobe waren gekommen, um sich beim traditionellen Buroniaball, Kaufbeurens einzigem Schwarz-Weiß-Ball, unterhalten zu lassen und unermüdlich zu tanzen. Für passende Gala-Tanzmusik sorgte die Barney-Jackson-Band. Ein Highlight jagte am vergangenen Samstag das nächste.
Schon beim Sektempfang kitzelte der von Aufbruch-Umbruch ausgeliehene „Hausl“ Jürgen Richter die Lachmuskeln der Festgäste in gewohnt schräger Manier. Nach der offiziellen Begrüßung stellte der neue Präsident Thomas Denninger in einer Lichtbildershow das in feinstes Schweinsleder gebundene und mit Metallbeschlägen verzierte, handgeschriebene und handgemalte „Protokollbuch“ vor, in welchem ein großer Teil der Vereinsgeschichte nachzulesen ist.
Schirmherr OB Stefan Bosse stellte die Behauptung auf, dass die Kunstreiter durch ihre großartigen Veranstaltungen mit Themen aus aller Welt Kaufbeuren zur Weltstadt gemacht hätten. Und seit der ehemalige Kunstreiterpräsident Wolfgang Krebs im Fernsehen durch Kaufbeuren führe, habe die Stadt einen derartigen Zulauf, dass sogar ein neues Hotel gebaut werden musste. Im Übrigen gebe es nur wenige Kaufbeurer Institutionen, die älter als 150 Jahre seien.
Die Ehrengäste des Abends waren das Präsidium, die „Kratzbärscht’n“ und die Garden der „Nürnberger Luftflotte des Prinzen Karneval“, die 2016 immerhin auch schon ihr 60-jähriges Bestehen feiern kann. Die beiden Karnevalsgesellschaften sind verwandtschaftlich verbunden: Der Luftflotten-Ehrenpräsident Manfred Denninger ist der Patenonkel von Kunstreiter-Präsident Thomas Denninger.
Von der Luftflotte – der einzigen fliegenden Karnevalsgesellschaft – erhielt Wolfgang Krebs 2014 den „Neidhammel-Orden“ und war daher nicht mit einer Kunstreiter-Schellenkappe, sondern mit der Luftflottenkappe erschienen. Diese vertauschte er alsbald mit einer weißhaarigen Perücke, um – wie im Vorjahr versprochen –den Abend als Edmund Stoiber mit ein paar kleinen Bosheiten zu bereichern: Im Gründungsjahr 1866 habe es in Kaufbeuren absolut NIX gegeben, nix, nix, auch kein Neugablonz. Bei der 100-Jahr-Feier – „als die Fernseher noch ganz dick und die meisten von Ihnen noch ganz dünn waren“ – sei dann immerhin klar gewesen, dass fast alle großen Erfindungen von Kaufbeurer Kunstreitern stammen. „Der Noack hat das Rad erfunden.“
Und den Baumeister des Stadtsaals, der seit seiner Einweihung 1899 immer noch steht, könne man doch vielleicht das nächste Parkhaus bauen lassen… Quintessenz war „Stoibers“ philosophische Feststellung: „Jedenfalls ist es besser, man bleibt stumm und wird für einen Deppen gehalten, als dass man spricht und erbringt den Beweis!“
Der frisch gebackene Kunstreiter-Senator Günther „Güschi“ Seydel hatte in seiner Eigenschaft als Vertreter der Bayrisch-Schwäbischen Fastnachtsvereine (BSF) diesmal nicht nur Grüße sondern auch den BSF-Vizepräsidenten Bernd Bitterle mitgebracht. Zusammen überreichten sie BSF-Orden und Auszeichnungen an Kunstreiter-Ehrenpräsident Wolfgang Noack, Vizepräsident Heinz Spöcker, Wolfgang Krebs und Hofmarschall Günter Alt (in Abwesenheit) für ihre langjährigen Verdienste um die Fastnacht. Die Luftflotten-Garde warf die Beine wie im Moulin Rouge, schwungvoll und exakt, und riss den Saal damit ebenso wie später mit ihrer Mäuseshow zu Beifallsstürmen hin. Zum Dank dafür wurden weitere Orden ausgetauscht.
Kurz nach Mitternacht marschierte eine Reihe Kellner in Traumschiff-Manier in den Saal und bot auf mit Feuerfontänen geschmückten Tabletts köstliche Desserthäppchen an, welche das Kunstreiter-Präsidium den Ballgästen spendierte. Nicht nur dafür, sondern für die gesamte Organisation einer wunderbaren Ballnacht gebührt ihnen ein dreifaches, donnerndes „Kunstreiter-Hüh-hott!“
von Ingrid Zasche