Bayerns Amazonas

Landsberg – Es einen Katalog zu nennen, wäre stark untertrieben: Die Publikation des Neuen Stadtmuseums Landsberg zur aktuellen Ausstellung „So ein Lech!“ gleicht eher einem Buch: ansprechende Fotografien und hochinteressante Texte zum Thema „Fluss und Mensch“. Es geht um die Nutzung des Lechs, seine Bedeutung für die Energiegewinnung, um die Landsberger Brücken und um die Menschen am Lech. Aber natürlich geht es auch um Naturschutz – um das, was vom Lechfeld übrig blieb.
Mitte Februar hatte Museumsleiterin und Herausgeberin Sonia Fischer die Autoren angesprochen – schon sechs Monate später war der „Katalog“ fertig. „Es ist natürlich kein klassischer Ausstellungskatalog“, sagt Fischer, „sondern eher eine Veröffentlichung, die sich vor allem auf den Lech-Unterlauf und speziell auf Landsberg konzentriert.“ Der Landesbund für Vogelschutz hat das Werk finanziell, der Verein Lebensraum Lechtal inhaltlich unterstützt. Für die ansprechende Grafik ist 360 Grad Design aus Landsberg verantwortlich. Im letzten Teil der Publikation sind Auszüge aus Interviews mit „Flussbewohnern“ nachzulesen: „Die stammen von Schülern der Montessorischule Inning“, betont Fischer. Unterstützt von einem Profi des BR hätten sie die Interviews sogar selbst geschnitten: „Das hat viel Zeit gekostet, aber auch enorm viel Spaß gemacht.“
In dem Werk finden sich 119 meist farbige Abbildungen: Fotos der Militärschwimmschule, Bilder vom Lechhochwasser und andere historische Landsberg-Ansichten. Oder vom Bau der Stauwehre, deren Geschichte Anton Lichtenstern in seinem Beitrag erzählt. Gemäldeabbildungen im Beitrag des Historikers Karl Filser veranschaulichen die Flößerei, die für den Transport von Holz, Nahrung oder auch der wertvollen Solnhofener Steine zuständig war: „Ein Flößer aus Apfeldorf hat innerhalb von acht Jahren 450.000 dieser Steine nach Österreich und bis hin nach Budapest gebracht“, erzählt Filser. Bis die Donaudampfschiffe und die Eisenbahn dem Floß-Transport den Garaus machten.
Natürlich geht es auch um die durch den Bau der Stauwehre dezimierte Flora und Fauna. Lech-Experte Eberhard Pfeuffer über das Lechfeld: „Eine auf den ersten Blick völlig belanglose Landschaft, aber es ist eine Landschaft der Superlative.“ Genauer, sie war es: Die größte Heidelandschaft Süddeutschlands und ein „Hotspot der Biodiversität“ ging nach der Lechverbauung fast verloren: „Es ist nur noch eine Seenplatte, kein Wildfluss mehr. Was fehlt ist die Dynamik.“ Dabei geht es Pfeuffer um das Extrem: „Energiegewinn ist notwendig, aber Bayern hat seinen Amazonas total verbaut.“ „Retten was zu retten ist“ heißt deshalb Stephan Günthers Beitrag. Der Gebietsbetreuer fürs Lechtal vom Bayerischen Naturschutzfonds beschreibt die Erhaltungsmaßnahmen: „Die noch vorhandenen Heideflächen werden von Wanderschäfern beweidet, oder man entfernt die Grasnarbe, um die Kiesel wieder bloßzulegen“ – wie bei einem Hochwasser. „Aber das ist nur Natur aus zweiter Hand.“
Die landsbergbetonten Seiten finden sich in der zweiten Hälfte der Publikation: Anna Leiter, Volontärin im Stadtmuseum, informiert über die Brücken in Landsberg als Zeitzeugen. Zum Beispiel die Karolinenbrücke, die erst 1869 mit einem Fachwerkoberbau aus Eisen errichtet wurde. Und nach dem 2. Weltkrieg wieder abgerissen wurde: „Damals wurde der Lech wieder zur Grenze.“ Stadtarchivarin Elke Müller schreibt über die rasenden Hochwasser-Wogen des Lechs, Heimatpfleger Dr. Werner Fees-Buchecker über seine Bedeutung für Handwerk und Gewerbe: die Landsberger Mühlen, der Schlachthof oder auch der Färberhof. Und schließlich noch Fischers Beitrag zum Thema „Baden am Lech“ mit Wissenswertem über Militärschwimmschule oder Inselbad.
Er habe am Anfang gedacht: „Oh je, noch ein Lechbuch“, gibt Pfeuffer zu. „Jetzt muss ich aber sagen: Gott sei Dank noch ein Lechbuch!“ Es gebe viel Neues zu entdecken, ergänzt von interessanten Abbildungen. Oder wie Günther sagt: „So viele Facetten, das ist ein Alleinstellungsmerkmal: Ein Werk, das in keinem Bücherregal fehlen darf.“
Den Katalog gibt es sowohl in den Buchhandlungen als auch im Stadtmuseum für 12,90 Euro. Die Auflage liegt bei 500 – also zugreifen, bevor er weg ist.
Susanne Greiner