Die Machtübernahme in Afghanistan durch die Taliban kam für die Taubmanns nicht völlig überraschend: „Wir waren seit Wochen im Krisenmodus“, so Georg Taubmann zur tz. Dass Kabul so schnell fällt, hatte die Helfer dann aber doch überrascht. „Unser Sohn und seine Frau lebten in einem der Häuser, die wir in Kabul gemietet haben.“ Neben den Einheimischen waren sieben weitere Nicht-Afghanen aus Deutschland, den USA und Uruguay für Shelter Now vor Ort. Als Kabul in die Hände der Taliban fielt, herrschte große Unruhe: „Unsere einheimischen Mitarbeiter konnten bei ihren Familien untertauchen. Für Ausländer unmöglich.“
Schließlich tauchte am Sonntag eine Gruppe von 30 Taliban in der Straße auf, wo Benjamin und Lisa Taubmann wohnen – mit Kalaschnikows im Anschlag, wie Georg Taubmann berichtet. Weiter: „Unser Team hatte einen Paschtunen als Torwächter, der die gleiche Sprache wie die Talibankämpfer sprach. Der erklärte den Bewaffneten, dass alles in Ordnung sei. Sie zogen weiter und plünderten die Häuser der anderen Ausländer im Viertel, die schon geflohen waren.“
Die jungen Taubmanns und ihre Freunde wurden schließlich am Dienstagmorgen von der Botschaft per Handy benachrichtigt, dass sie ausgeflogen werden. „Sie sind in alten, unauffälligen Autos durch die Stadt gefahren, die voller Taliban-Kontrollposten war“, so Georg Taubmann. „An einem geheimen Gate wurden erst nur die beiden deutschen und die US-amerikanischen Shelter-Now-Mitarbeiter von US-Soldaten durchgelassen“, berichtet Georg Taubmann. Er hörte die gesamte Zeit am Handy mit, was in Kabul geschah. „Es waren Schreie und Schüsse zu hören.“ Georg Taubmann vermutet, dass es die US-Soldaten, die in die Luft schossen, um die afghanische Menschenmenge vor Ort daran zu hindern, das Gate zu stürmen. Laut Taubmann senior wollten die US-Amerikaner die aus Uruguay stammenden Mitarbeiterinnen einlassen, sie standen schutzlos in der Menschenmenge vor dem Tor. Taubmann senior: „Erst, als sich unsere übrigen Leute weigerten, ohne die beiden in den Flieger zu steigen, durften alle mit.“
Am Flughafen wurde die Gruppe getrennt. Außer Benjamin und Lisa Taubmann wurden alle Shelter-Now-Helfer mit einer Bundeswehr-Maschine nach Taschkent in Usbekistan ausgeflogen und flogen gleich mit einem Airbus der Lufthansa weiter nach Frankfurt. Sie fuhren mit dem Zug weiter und wurden Mittwochabend von Taubmann senior in Regensburg abgeholt. Sie sind jetzt provisorisch im Büro der Hilfsorganisation in Sulzbach-Rosenberg untergebracht.
Benjamin und Lisa Taubmann saßen erst drei Stunden später in einer US-Maschine, die sie nach Doha, der Hauptstadt des Golfstaates Katar, flog. Von da meldete sich Benjamin Taubmann Mittwochabend bei seinem Vater. Der sagt: „Mein Sohn ist heilfroh, dass sie aus Kabul ausgeflogen wurden. Doch in Doha herrscht blankes Chaos.“ 600 Evakuierte seien in einem Hangar untergebracht, mit je einer Toilette für Männer bzw. Frauen. Taubmann senior: „Und keiner weiß, wann es nach Hause geht.“ Aber: „Hauptsache raus aus Afghanistan.“
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