Polizistenmord: Verdächtiger soll bereits 1975 getötet haben
Augsburg - Bei den beiden Tatverdächtigen im Augsburger Polizistenmord soll es sich um eine Brüderpaar (56 und 58 Jahre) handeln. Laut Medienberichten habe einer von ihnen bereits 1975 einen Polizisten erschossen.
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Donnerstagmittag vor dem Polizeipräsidium Augsburg: Eine Handvoll Beamter steigt aus drei grün-weißen Bussen. Hinter den Männern liegt der Einsatz, den sie seit sieben Wochen und sechs Tagen herbeisehnten. Gerade haben sie die mutmaßlichen Mörder ihres Kollegen Mathias Vieth erwischt – der große Schlag ist gelungen. Die beiden Verdächtigen waren seit der Tat offenbar in der Stadt und im angrenzenden Friedberg untergetaucht.
Nach Informationen der „Augsburger Allgemeinen“ soll es sich um ein Brüderpaar handeln. Einer der beiden soll schon vor 36 Jahren einen Polizisten bei einem Raubüberfall erschossen haben. Er sei 1976 zu zweimal lebenslänglich plus acht Jahre Freiheitsentzug verurteilt worden.
Augsburger Polizistenmord: Bilder vom Einsatz in Friedberg
Der Polizistenmord von Augsburg sorgte Ende Oktober dieses Jahres bundesweit für Entsetzen – es gab unter Kollegen kaum ein anderes Thema. Mathias Vieth, Polizeihauptmeister, 41 Jahre alt, Vater zweier Kinder, wurde in einer nebligen Herbstnacht kaltblütig erschossen.
Rückblick: Am frühen Morgen des 28. Oktober ist Vieth mit seiner Kollegin (30) auf Streife. Auf einem Parkplatz am Kuhsee im Südosten der Stadt bemerken sie zwei Männer auf einem Motorrad, die eine schwarze Tasche dabei haben. Ein Drogengeschäft? Waffenhandel? Die Polizisten wollen die Verdächtigen kontrollieren – doch dazu kommt es nicht. Die beiden rasen davon. Polizeihauptmeister Vieth nimmt im Streifenwagen die Verfolgung auf, seine Kollegin fordert über Funk Unterstützung an. Bevor diese eintrifft, eskaliert die Situation.
Polizistenmord in Augsburg: Fotos vom Tatort
Die Männer auf dem Motorrad biegen in einen Weg zum Siebentischwald ein – und stürzen. Die Polizisten holen auf, steigen aus. Plötzlich eröffnen die Unbekannten aus etwa zehn Metern Entfernung das Feuer. Mathias Vieth und seine Kollegin schießen zurück, die beiden Verdächtigen suchen zu Fuß das Weite. Als Verstärkung und der Notarzt eintreffen, ist Vieth tot. Getroffen von mehreren Kugeln, an Hals und Kopf. Von den Tätern: keine Spur.
Sofort setzt sich eine riesige Ermittlungsmaschinerie in Gang, die Sonderkommission „Spickel“ wird aus dem Boden gestampft. Hundestaffeln suchen nach den Flüchtigen, Hundertschaften durchkämmen den Stadtwald. Taucher inspizieren den Lech, Polizisten machen den Besitzer des geklauten Motorrads in Ingolstadt ausfindig. Tankstellen in ganz Bayern bekommen die Order, das Videomaterial aus den Überwachungskameras aufzubewahren. Der Fall wird bei „Aktenzeichen XY“ gezeigt. 100 000 Euro Belohnung werden ausgelobt, die Spurensicherung findet DNA-Material an der zurückgelassenen Waffe – ein Abgleich mit der Datenbank bringt aber keinen Treffer. Oder doch? Und es sickert zunächst nichts durch?
Es ist jedenfalls eine dürre Meldung, die das Augsburger Präsidium am Donnerstagnachmittag, 14.04 Uhr, mit der Überschrift „Tatverdächtige zum Mord am Polizeibeamten Mathias Vieth festgenommen“ veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt werden im selben Gebäude die Männer vernommen. In der offiziellen Mitteilung steht, dass gegen Mittag zwei Männer in Augsburg und dem nahen Friedberg gestellt wurden. „Die mutmaßlichen Täter waren von der polizeilichen Maßnahme vollkommen überrascht und leisteten keinen Widerstand“, heißt es – bei weiteren Fragen verweist man auf die Pressekonferenz heute in Augsburg.
Augsburg trauert um ermordeten Polizisten
Doch im Lauf des Tages werden doch einige Details zu den Tätern bekannt. So ist nach bisherigem Ermittlungsstand offenbar auszuschließen, dass die Männer der Neonazi-Szene oder der Russenmafia angehören – darüber war im Vorfeld spekuliert worden. Allerdings waren die Festgenommenen mehrfach durch Straftaten aufgefallen und polizeibekannt. Dies spricht dafür, dass die Ermittler der Soko „Spickel“ möglicherweise doch über das DNA-Material auf die Spur der beiden kam. Bevor aber gestern der Zugriff durch schwerbewaffnete Beamte eines Sondereinsatzkommandos aus München erfolgte, sollen die mutmaßlichen Mörder tagelang durch Zivilbeamte beobachtet worden sein. Einer der beiden Täter wohnte offenbar auf einem heruntergekommenen Anwesen in Friedberg. Polizisten und Spurensicherung durchsuchten gestern Nachmittag den Stadl, in dem sich neben Gerümpel auch mehrere Heiligenbilder befanden. Der andere wurde gestellt, als er im Auto an einer Ampel im Augsburger Stadtteil Lechhausen hielt. Auch wenn sie offenbar noch kein Geständnis abgelegt haben, scheint es sich bei den Verdächtigen mit großer Sicherheit um die Täter zu handeln: „Fakt ist: Die Beweislage hat ausgereicht, um sie festzunehmen“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage. Heute werden die Tatverdächtigen dem Haftrichter vorgeführt.
Polizistenmord: Beerdigung in Königsbrunn
Für tausende Polizisten in Bayern ist die Festnahme eine große Erleichterung. „Das gibt den Beamten Genugtuung und Sicherheit“, sagte Dekan Simbeck von der katholischen Polizeiseelsorge. Vor allem der jungen Kollegin von Mathias Vieth wird der Fahndungserfolg helfen, das Trauma aus der Oktobernacht zu überwinden. Sie ist seit dem Mord in psychologischer Behandlung.
Carina Lechner