Zypern bekommt Millionenschatz zurück

München - Sie wurden in den Wirren der türkischen Besetzung geraubt, jetzt bekommt Zypern Fresken, Mosaiken und Ikonen von unschätzbarem Wert zurück. Die Stücke müssen in der Heimat restauriert werden - nicht nur die Zeit hat Schäden hinterlassen, sondern auch Hass.
Ein Riss durchzieht das wertvolle Mosaik aus dem 6. Jahrhundert, ein paar bunte Steinchen fehlen. In Kürze wird der „Heilige Thomas“ aus einer byzantinischen Kirche im nordzyprischen Lythrangomi seine Heimreise nach Zypern antreten. Dort soll er erst einmal restauriert werden. Der Apostel ist mit einem Schätzwert von fünf Millionen Euro das wertvollste von 170 Fresken, Ikonen und anderen Kunstgegenständen, die am Dienstag in München an das Land zurückgegeben wurden. Die Stücke lagerten 15 Jahre beim Bayerischen Landeskriminalamt - so lange dauerte der Rechtsstreit um die Klärung der Eigentumsverhältnisse und die Rückgabe.
„Diese wunderbaren und wertvollen Werke gehören zum religiösen und kulturellen Erbe Zyperns“, sagte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Sie sei froh, dass nach all den Jahren ein Großteil der Schätze in die Heimat zurückgebracht werden könne.

„Wir sind sehr glücklich und zufrieden“, sagt die Direktorin der zyprischen Abteilung Antiquitäten, Despo Pilidis. Den Wert der Werke will sie nicht beziffern. „Sie sind unschätzbar.“ Es sei aber die größte Menge an Kunstschätzen, die je an Zypern zurückgegeben worden sei. „Einerseits ist das ein sehr freudiger Anlass.“ Andererseits gebe es einen Hinweis auf die große Anzahl von Kunstgütern, die unter türkischer Besetzung aus Klöstern, Kapellen und Kirchen in Nordzypern geraubt wurden - insgesamt 60 000 Teile seien das, schätzt sie. Rund 230 Stücke hatten Kunstfahnder 1997 und 1998 in den Räumen eines türkischen Händlers in München sichergestellt. Ein niederländischer früherer Schmuggler hatte die Behörden auf die Spur gebracht. Teile des Mosaiks, zu dem auch der Apostel Thomas gehört, waren schon in die USA verkauft - auch sie haben Millionenwert und wurden bereits zurückgegeben.
In den Wirren der türkischen Besetzung hatten Diebe ab 1974 bis in die 1980er Jahre zahlreiche Kunstgüter außer Landes geschafft. Offenbar unbehelligt schnitten die Diebe wertvolle Fresken aus den Wänden - und fotografierten sich sogar dabei. Ein bei dem Münchner Händler sichergestelltes Foto zeigt einen Plünderer, der unter der Kuppel einer Kirche liegt und offenbar Stellen angezeichnet hat. Aus dem Fresko „Jüngstes Gericht“ in der Kirche in Antifonitis holten die Diebe rund 30 Einzelstücke, Engel und auch den Teufel. Die griechisch-orthodoxe Bevölkerung war teils geflohen und konnte ihre Kirchen nicht schützen.
Die Besatzer nutzten die Klöster auch als Viehställe - der Hass muss groß gewesen sein. Bei einer Ikone aus einem Kloster in Koutsoventi stachen sie einer Maria die Augen aus. Löcher sind an der Stelle geblieben. Auch diese Darstellung soll nach der Rückkehr nach Zypern restauriert werden.
In eigens angepassten Kisten und teils mit Spezialfolie abgedeckt werden die Stücke in den nächsten Wochen auf die Mittelmeerinsel gebracht. „Ich hoffe, dass das nur ein Anfang ist“, sagt Pilidis. Weitere 60 Stücke liegen in München, darunter prähistorische Dolche, Krüge und Faustkeile, deren Fundzeit und Eigentumsverhältnisse schwer zu bestimmen sind. Ein Gericht muss noch entscheiden.
Die zurückgegebenen Werke sollen in Zypern vermutlich in Museen untergebracht werden. Pilidis geht weiter. „Ich hoffe, dass diese Kunstwerke ihren Weg nach Nordzypern zurückfinden, wenn Zypern wieder frei und vereint ist.“
dpa