Für eine Angestellte, die nicht namentlich genannt werden will, kam die Schließung vollkommen überraschend. „Ich hatte immer die Hoffnung, dass nichts passiert. Für mich als Vollzeitbeschäftigte mit einem guten Gehalt wird es nicht einfach sein, eine neue adäquate Vollzeitbeschäftigung zu finden.“ Eine andere findet es einfach blöd: „Ich bin hier sozusagen aufgewachsen. Auf uns wird keine Rücksicht genommen.“ Weitere Angestellte wollten keine Stellungnahme abgeben. So auch eine Abteilungsleiterin, die darauf hinwies, dass es eigentlich nicht gewünscht ist, mit dem Personal zu reden. „Die haben jetzt ganz andere Sorgen.“
Bereits vor einigen Monaten hatte Investor Thomas Wirth in einem Gespräch mit dem Kreisboten darauf hingewiesen, dass die Eigentümerin des Gebäudes ihn beauftragt habe, das Gebäude zu verkaufen – was nicht so einfach sei, da ein Teil des Grundstücks über Erbpacht vermietet wird. Die Stadt wurde darüber in Kenntnis gesetzt. Er hat dabei den Vorschlag unterbreitet, dort die neue Stadtbibliothek unterzubringen. Für ihn kommt es jetzt darauf an, dass sich alle Betroffenen so schnell wie möglich zusammensetzen – auch im Interesse der Stadt.
Wie Friedrich-Wilhelm Göbel, Geschäftsführer der TEH GmbH, auf Anfrage des Kreisboten bestätigt, ist er seit Monaten unterwegs und besichtigt Galeria-Filialen. Er hat bereits mit zahlreichen Vermietern gesprochen. Göbel, Gründer der Multilabel-Kette Aachener und früherer Sinn-Manager, will Galeria-Filialen übernehmen. Bis zu 25 Stück, sagt er in einem Interview, das er der Textilwirtschaft am 15. März 2023 gegeben und dem Kreisboten als Infoquelle überlassen hat. „Wir haben eine Reihe von Mietverträgen unterschrieben, die dann gültig werden, wenn die insolvenzbedingte Sonderkündigung schriftlich beim Eigentümer vorliegt“, sagt er in dem Interview.
Bei einigen von der Schließung betroffenen Standorten kann er die Entscheidung nicht nachvollziehen: „Es ist mir, ohne die exakten Details zu kennen, nicht ersichtlich, warum an diesen Standorten ein gut geführtes Kaufhaus nicht funktionieren sollte. Vor diesem Hintergrund gehe ich übrigens davon aus, dass die heute veröffentlichten Listen sich in den nächsten Wochen noch verändern können bzw. werden.“ Sein Aachener-Konzept im mittleren und gehobenen Segment mit hohem Depot-Anteil will er, wie es weiter heißt, dezent um Warenhaus-Sortimente erweitern und gern das Galeria-Personal übernehmen. Zu den einzelnen Standorten könne er zum aktuellen Zeitpunkt noch nichts sagen, so Göbel.
„Mit großer Betroffenheit und auch Verärgerung nehmen wir die Ankündigung zur Schließung des Kemptener Hauses von Galeria Karstadt Kaufhof zur Kenntnis“, zeigt sich Andreas Kibler, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler-ÜP, in einer Mitteilung wenig erfreut. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten „all die Jahre engagiert für ihren Standort gearbeitet und stehen mit dieser Ankündigung nun vor einer ungewissen Zukunft“.
Als nördlicher Anker für einen Besuch in Kempten habe das Warenhaus einen „unschätzbar hohen Einfluss auf die Besucherlenkung in der Fußgängerzone, der nördlichen Innenstadt und insbesondere die Gerberstraße bzw. für das ganze Mühlbachquartier“, ist sich Kibler sicher. Und weiter: „Die jahrelangen intensiven Bemühungen der Stadt Kempten zur Stärkung der Innenstadt werden durch die Konzernentscheidung größtmöglich konterkariert. Wir bedauern es sehr, dass auch vermeintlich umsatzstarke Häuser dem radikalen Kahlschlag von 52 zu schließenden Häusern zum Opfer fallen sollen.“
Nun appellieren die Freien Wähler an alle Verantwortlichen, diese weitreichende Entscheidung zu überdenken und Möglichkeiten zum Erhalt der Arbeitsplätze für die Beschäftigten und des Warenhauses für Kempten auszuschöpfen.
Schon im Juni 2020 standen 62 der ehemals 172 Warenhäuser vor dem Aus. Auch in den Filialen in Memmingen und Kempten ging damals die Angst um. Doch für diese hatte damals es letztendlich (noch) Entwarnung gegeben. Für den Standort in Kempten kommt nun doch im nächsten Jahr das Aus. Doch Karstadt verschwindet nicht komplett aus dem Allgäu: Die Memminger Filiale bleibt erhalten. Karstadt Memmingen war zu einem Statement gegenüber unserer Redaktion leider nicht erreichbar.
Die Erleichterung über das weitere Bestehen des Memminger Hauses ist dem Statement von Oberbürgermeister Manfred Schilder zu entnehmen: „Ich freue mich sehr, dass Galeria den Standort in Memmingen erhält. Zum einen freut es mich für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz behalten. Doch auch in Hinblick auf die Einkaufsstadt Memmingen ist die Freude groß. So wird Galeria weiterhin aus einem weiten Umkreis Kunden anziehen und so die Innenstadt gemeinsam mit den anderen Einzelhändlern und Gastronomen attraktiv halten.“
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