Jetzt ist der Bär im Oberallgäu

Oberallgäu – Nicht weit von der Hubertus-Kapelle im Hintersteiner Tal hatte am Montagmittag ein Radfahrer einen Bären fotografiert. Jetzt liegt der Nachweis des Landesamts für Umwelt LfU vor: Ein Braunbär, ein „großer Beutegreifer“, ist offenbar im Oberallgäu angekommen. Und alle hoffen, dass er bald weiterzieht.
Was anfangs der Woche als „mutmaßliche Sichtung“ eines Braunbären im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang begann, führte schon am frühen Montagabend zum Nachweis des Tieres. Ein „großer Beutegreifer“ ist somit im südlichen Landkreis Oberallgäu angekommen. Im Landratsamt Oberallgäu muss man sich notgedrungen mit Tipps zum richtigen Verhalten begnügen, da eine weitere Individualisierung des „Gastes“ bislang nicht möglich war.
In Sorge sind aber Älpler und Weideviehhalter in der Region. In diesen Tagen beginnt die Älpung des Viehs, und Herdenschutz ist nicht überall möglich. Nicht weit von der Hubertus-Kapelle im Hintersteiner Tal hatte gegen Mittag ein Radfahrer einen Bären fotografiert. Umgehend war die Meldung über die Beobachtung dem Netzwerk Große Beutegreifer am Landesamt für Umwelt LfU zugeleitet worden.
Noch am Nachmittag hatte die Wildtierökologin am Landratsamt Oberallgäu, Agnes Hussek, den Schauplatz der Aufnahme aufgesucht und war zum Schluss gekommen, dass es sich wohl tatsächlich um einen Braunbären handle. „Es war eine authentische Szenerie vor Ort nachvollziehbar.“ Und bereits am Abend hatte das LfU den Hinweis zum „Nachweis“ erklärt. Der große Beutegreifer Bär war offenbar im Allgäu angekommen.
Bär im Allgäu: Wie sieht die rechtliche Situation aus?
„Weitere Spuren des Tieres konnten allerdings aufgrund des Grasbewuchses nicht festgestellt werden. Also auch kein etwaiger DNA-Nachweis“, so Hussek. Man müsse jetzt weitere Beobachtungen abwarten, um die Wanderung des Bären zu verfolgen. Wie die rechtliche Situation des „Besuchers“ aussieht ist dagegen klar. Nach den Flora-Fauna-Habitat-Regularien FFH klar definierten Kriterien gilt der Braunbär als „streng geschützt“ – wie alle großen Beutegreifer. „Das bedeutet ein absolutes Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbot“, bringt es Markus Haug, Jurist am Landratsamt Oberallgäu, auf den Punkt.
Ausnahmen gibt es nur unter strengen Auflagen. Zuständig ist dabei die Regierung von Schwaben in Abstimmung mit dem Umweltministerium. Über einen Managementplan könnten gegebenenfalls anhand des Monitorings der Verhaltensweisen „im rechtlichen Rahmen“ Maßnahmen eingeleitet werden, etwa eine Vergrämung oder Entnahme, so Haug weiter. Die neue Bayerische Wolfsverordnung greift übrigens nicht für Bären.
Status quo: „Dem Tier nicht auf den Pelz rücken“
Das Landratsamt hat jedenfalls umgehend Jäger und die Alpmeister der Alpgenossenschaften über den Nachweis informiert. Und die sind wenig erfreut über den Besucher. „Ein Problem, das wir so noch nicht hatten“ erkennt auch Landrätin Indra Baier-Müller. Herdenschutz sei im alpinen Gelände „nur bedingt möglich“. Wie alle Beteiligten hofft sie auf einen „Weggang“ des Tieres: „Am liebsten wäre uns, wenn der Bär weiterziehen würde.“
Des Weiteren will die Landrätin die Verantwortlichen in den Alpenlandkreisen und den einschlägigen Verbänden – etwa beim Alm- und Alpwirtschaftlichen Verein – zusammenbringen, um ein praxistaugliches Wildtiermanagement und eine gemeinsame Strategie auf den Weg zu bringen. Es gehe nicht zuletzt um den Tourismus in einem begrenzten Lebensraum. „Das beschäftigt uns.“ Bis auf Weiteres könne die Behörde kaum mehr tun, als auf wichtige Verhaltensregeln zum Umgang mit Wildtieren zu verweisen – den „Schutz durch richtiges Verhalten“ bei Begegnungen mit dem Raubtier. Kai Bomans, Leiter der Unteren Jagdbehörde, fasst es zusammen: „Ruhig bleiben, geordneter Rückzug. Generell: Dem Tier nicht auf den Pelz rücken!“

Wenig angetan von dem „Gast“ ist auch der Alpwirtschaftliche Verein im Allgäu AVA. Vorsitzender Christian Brutscher, selbst aktiver Älpler, hofft ebenfalls, dass der Bär schnell wieder verschwindet. Gerade jetzt zu Beginn der Alpsaison seien viele Bergler-Familien beim Vieh: Eine Begegnung von Kindern und dem Bären wolle er sich gar nicht ausmalen ... Das Alppersonal und die Alpmeister seien informiert und gewarnt: „Alle wissen Bescheid. Aber mehr als Abwarten kann man derzeit nicht tun.“
Wie sein Vorgänger an der AVA-Spitze, Franz Hage, hält Brutscher nichts von einer „Rückkehr“ der großen Beutegreifer in die Region. Wirksamer Herdenschutz sei in der Praxis in den Berglagen kaum möglich. Die Chancen, dass der Bär „abtaucht“, stehen Experten zufolge in der Tat gut. Junge Bären gehen im Alter von etwa zwei Jahren auf Wanderschaft – auf Partnersuche. Der Oberallgäuer Bär könnte aus der Population im italienischen Trentino stammen, berichtet Jurist Markus Haug. Dort leben etwa 100 Tiere. Eine Rudelbildung wie etwa bei Wölfen gebe es nicht bei dem scheuen Tier, das dem Menschen in aller Regel ausweiche.
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