Jederzeit und von überall her abrufbar soll der Ort des Geschehens sein, in diesem Fall der Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck. Erinnern will man an die Menschen, die am 5. September 1972 ihr Leben ließen, als die Terrororganisation Schwarzer September zunächst einen Anschlag auf das israelische Wohnquartier im Olympischen Dorf in München verübte, dabei zwei Menschen tötete und dann neun Geiseln sowie einen Polizisten auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck erschoss. Zwölf unschuldigen Menschen wurde an diesem Tag das Leben genommen.
Der Fokus der App „Erinnerungsort Olympia-Attentat 1972“ liegt auf den Geschehnissen rund um den alten Tower des Fliegerhorstes. Die sogenannten „Heiteren Spiele“ wurden jäh unterbrochen, als zwölf Menschen gewaltsam ihren Tod fanden.
Anlässlich des 50. Jahrestages des Olympia-Attentats wurde die Möglichkeit geschaffen, sich virtuell zu informieren, Anteil zu nehmen und nicht zu vergessen. Anhand von sieben Stationen kann man sich mit Hilfe von aktuellen und historischen Aufnahmen orientieren und von Zuhause aus durch Drehen des Handys oder Tablets Informationen erhalten. Wie Landrat Thomas Karmasin bei der offiziellen Vorstellung der App im Tower bekundet, sei es dem Landkreis vor allem wichtig, ortsunabhängig auf die Daten zugreifen zu können, da der Fliegerhorst bis 2026 für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. „Mit der App haben wir eine dauerhafte Lösung geschaffen“, sagt er. Und die Zahlen geben den Entwicklern recht, schon mehr als 1.000 Mal wurde die App heruntergeladen.
Aus Orten des Geschehens, wurden Orte des Erinnerns. „So etwas darf nie wieder geschehen“, erklärt Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Auch sie bestätigt die Wichtigkeit eines digitalen Erinnerungsortes. „Es war eine kluge Entscheidung des Landkreises“, sagt sie, denn so sei ein Ort für viele geschaffen worden, die es nicht nach Fürstenfeldbruck schaffen. Die Generalkonsulin Carmela Shamir weist zudem darauf hin, dass so vor allem junge Menschen angesprochen würden.
Das Erinnern sei für viele kommende Generationen erreichbar gemacht worden. Der ehemalige Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultur Ludwig Spaenle findet auch kritische, gar anklagende Worte: „Hier ist viel verdrängt worden. Nicht hier in Fürstenfeldbruck, aber in München“, und nimmt damit Bezug auf den Umgang der Regierung und auch der Münchner selbst mit den vorhandenen Erinnerungsorten in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Gedenktafel in der Connollystraße und die Erinnerungsstätte, die 2017 unter Anwesenheit des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Israels Staatspräsidenten Reuven Rivlin eröffnet wurde. Nun habe wieder Fürstenfeldbruck und nicht München die Aufgabe des Erinnerns auf sich genommen, so Spaenle weiter.
Auch zehn Schüler der 11. Klasse des Graf-Rasso-Gymnasiums samt ihrem Geschichtslehrer Wolfgang Seufert waren zur Präsentation der App auf dem Flugplatz geladen. Die Jugendlichen hatten sich im Rahmen ihres W-Seminars näher mit dem Attentat und seinen Opfern beschäftigt und durften nun dem Landrat im Zuge einer Podiumsdiskussion Fragen rund um die digitale Gedenkstätte stellen. Die App solle nämlich auch dazu dienen, dass Schulen den digitalen Erinnerungsort für die historisch-politische Bildungsarbeit nutzen. Stand das Olympia-Attentat bisweilen nur peripher auf dem Stundenplan, findet es nun eine praktische Anwendung.
Claudia Becker