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"Notfalls auch Beschlagnahmung"

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Landrat Thomas Karmasin © Dieter Metzler

Fürstenfeldbruck - Durch den stetig ansteigenden Zustrom von Flüchtlingen spitzt sich die Lage bei der Unterbringung von Asylbewerbern im Landkreis weiter zu und zwingt Landrat Thomas Karmasin zu drastischen Maßnahmen. Bei einem Pressegespräch am 4. August teilte Karmasin mit, zu welchen Notmaßnahmen er sich gezwungen sieht.

Um dem Flüchtlings-Massenzustrom Herr zu werden, brauche man rasch große Kapazitäten, deshalb habe er sich entschieden, eine „neue Linie zu fahren“, so der Landrat. „Mein Ziel, die vor uns liegende Herausforderung auf möglichst viele kommunale Schultern in unserem Landkreis gerecht zu verteilen, möchte ich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht aufgeben“, sagte Karmasin. Dies habe er auch den Bürgermeistern der 23 Kommunen bei einer gemeinsamen Besprechung mitgeteilt und sie gebeten, die Vereinsvorstände zu informieren. 

Allerdings werde es ihm nicht mehr möglich sein, den mit den Gemeinden vereinbarten Verteilerschlüssel einzuhalten. Er sehe sich gezwungen, alle zur Verfügung stehenden Objekte, insbesondere die mit großer Kapazität in Anspruch zu nehmen. Dabei könnte er sich notfalls auch zu Beschlagnahmungen gezwungen sehen. Die bisherige Strategie einer Unterbringung in kleineren Einheiten wie Wohnungen oder Containern sei aufgrund des starken Zustroms nicht mehr möglich. 

So sollen die 16 Turnhallen des Landkreises als Unterkünfte dienen. Sollten diese nicht ausreichen, dann müssten auch die Hallen der 23 Landkreis-Gemeinden herhalten. Das würde für die Schulen und Sportvereine bedeuten, dass für sie ab dem Herbst vorerst keine Sportausübung möglich ist. „Meine Hoffnung ist, dass sich die Politik vor der Tiefgarage bewegt“, sagte Karmasin, der gar als eine der letzten Möglichkeiten die Unterbringung in öffentlichen Tiefgaragen in Erwägung zieht.

Das Landratsamt wird ab sofort alle Objekte, die über größere Kapazitäten verfügen, auf ihre Unterbringungs-Tauglichkeit überprüfen, teilte der Landrat mit. Daneben prüft das Amt die Realisierung von Traglufthallen. Doch dazu brauche man Grundstücke, so Karmasin, der die Unterbringung von Flüchtlingen in Traglufthallen den Turnhallen vorzieht. Die Ergebnisse der Überprüfung werden in einer Prioritätenliste zusammengestellt.

Als weitere Maßnahme hat Karmasin das Ausländeramt durch Personal aus dem Bauamt, dem Service-Team und der Zulassungsstelle abgezogen. Er müsse die diejenigen Kapazitäten, die sich mit der Unterbringung der Flüchtlinge beschäftigen, verstärken. Karmasin befürchtet Unmutsäußerungen aus der Bevölkerung, wenn der Bürger längere Bearbeitungszeiten in Kauf nehmen muss.

Mit Protesten der Flüchtlinge sei bei der Geldauszahlung zu rechnen, befürchtet der Landrat, denn hier wurde das Personal nicht aufgestockt, so dass auch die Flüchtlinge Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Vorsorglich werde man die Sicherheitskräfte verstärken, kündigte Karmasin an.

Der Brucker Landrat geht davon aus, dass der Landkreis bis zum Jahresende mindestens 3.000 Flüchtlinge unterzubringen hat – etwa doppelt so viele wie derzeit. Karmasin kritisierte vor allem, dass mittlerweile mehr als zwei Drittel der Zuwanderer nicht mehr Schutz suchen, sondern Geld. Während zunächst Menschen aus Krisengebieten den Hauptteil der Flüchtlinge darstellten, ist die Zuwanderung insbesondere seit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die die Leistungen für jegliche Art von Asylbewerbern erhöht hat, aber auch seit der Umstellung der Leistungen auf Geld anstelle Sachleistungen, völlig beliebig geworden. Da die auf den Vollzug des Asylrechts ausgelegten staatlichen Systeme durch Überlastung versagen und damit durch Geldleistungen attraktiver Aufenthalt faktisch jedermann gewährt werde, steigen die absoluten Zugangszahlen dramatisch an. 

Man gerate in eine Situation, die wesentlich schwieriger zu bewältigen sei, als beispielsweise die letzten beiden Hochwasserkatastrophen im Landkreis, denn da habe es stets Perspektiven auf eine Ende gegeben, während beim Zustrom der Flüchtlinge kein Ende abzusehen ist. „Ich schließe nicht aus, dass wir an die Grenze der Resignation stoßen“, sagte Karmasin. Bisher habe der Landkreis bestmöglich versucht, das Problem zu bewältigen. „Ich kann den Leuten nicht sagen, was danach ist, wenn die 3.000 Flüchtlinge untergerbacht sind“, sagte Karmasin und auf die an ihn häufigste gerichtete Frage: „Wie soll das weitergehen“, kann auch er nur antworten: „Ich weiß es nicht.“ 

Dieter Metzler

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