„Die zweite Wahl bedeutet eine Qualitätsverschlechterung“
„Alternative Produkte können eine schmalere Wirkung haben oder Nebenwirkungen verursachen“, erklärt Dr. Hermann Schubert, leitender Oberarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin sowie Hygiene- und Pandemiebeauftragter des Klinikums Fürstenfeldbruck. In seiner Arbeit in der Anästhesie hat er oft mit Antibiotika, die vor Operationen eingesetzt werden, zu tun. „Wir wollen nicht nur Resistenzen vorbeugen, sondern, dass der Patient die beste Therapie bekommt“, sagt er. Eine durch Medikamentenengpässe bedingte Alternativlösung mache das schwer. „Die zweite Wahl bedeutet eine Qualitätsverschlechterung,“ so Schubert.
Nach alternativen Lösungen muss auch Dr. Emanuel Nies, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Mammendorf, regelmäßig suchen. Er berichtet über ein Penicillinpräparat dem er schon gar nicht mehr hinterhertelefoniere, da es seit Monaten nicht lieferbar sei. „Es wird immer schwieriger weil wichtige Medikamente nicht vorhanden sind“, sagt er. Das bedeute beispielsweise, dass Kinder Medikamente verschrieben bekämen, die erst für ein höheres Alter empfohlen würden, da es einfach keine Alternative gäbe. „Wir finden immer was anderes“, so Nies, „aber aus ärztlicher Sicht ist das nicht optimal.“ Nicht nur Antibiotika sind knapp. Die BARI Mitglieder berichten, dass auch ein Medikament zur Brustkrebsprofilaxe oder etwa Betablocker und Insulin teilweise nicht lieferbar waren und sind.
Neu sei der Zustand nicht, bereits vor zehn Jahren bahnte sich das Problem an. Damals sei die Fabrik für einen der häufigsten verwendeten Antibiotikahersteller explodiert, was zu Lieferengpässen geführt habe. „Das war ein Vorgeschmack“, sagt von Sachs. In den letzten Jahren sei die Situation immer schlimmer geworden. Die Ursache dafür sei eine Kombination aus Gründen, sagen die Mitglieder von BARI. Zum einen gebe es für die Wirkstoffe oft nur wenige Hersteller, teilweise nur in Asien, die nicht liefern könnten. „Die fortschreitende Konzentration ist ein Problem“, sagt Schubert, „Eine regionale, oder zumindest europäische Produktion müsste garantiert werden.“ Dazu komme auch die Packmittelknappheit. Schließlich sei auch die Preisregelung in Deutschland problematisch. „Die Pharmaunternehmen verdienen in Deutschland zu wenig und verkaufen deswegen ans Ausland“, erklärt von Sachs. „Man wird regulieren müssen.“
„Es lässt sich nur mit Geld regeln“
Eine zeitnahe Entspannung der Situation sehen die drei nicht. „Irgendwoher bekommen wir Medikamente“, sagt von Sachs. Aber es werde zunehmend schwerer. Das wirke sich auch auf die Beschaffungskosten aus. Diese seien für die Krankenhäuser bereits um drei bis vier Prozent gestiegen. „Es lässt sich nur mit Geld regeln“, lautet von Sachs Prognose.
Trotz erschwerter Bedingungen setzt sich BARI das Ziel, die Bevölkerung zu informieren und ein Bewusstsein für Antibiotika zu schaffen. Dazu gehöre zu verhindern, dass das Medikament zu oft verschrieben werde. „Nicht für jeden Schnupfen braucht es Antibiotika“, erklärt Nies. Um möglichst viele Menschen aufzuklären, sei dieses Jahr eine Veranstaltung über falsche Mythen in der Antibiotikatherapie in Planung. Auch eine Fortbildung für Ärzte stehe noch auf dem Programm. Als weiteres Vorhaben wollen sie mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Penicillinallergien lenken. „Das ist ein Wunschprojekt“, erklärt Schubert.
Eva Lindemann