1. kreisbote-de
  2. Lokales
  3. Füssen

Weltkulturerbe: „Das hätte der König nicht gewollt“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Matthias Matz

Kommentare

Schloss Neuschwanstein wieder illuminiert
Von Scheinwerfern angestrahlt steht das Schloss Neuschwanstein im Königswinkel. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Der Freistaat will, dass Schloss Neuschwanstein und die Königsschlösser 2025 UNESCO-Weltkulturerbe werden. In Schwangau sorgt das für Diskussionen in der Bevölkerung. 

Schwangau - Der Freistaat will, dass Schloss Neuschwanstein und die anderen Königsschlösser 2025 auf die UNESCO-Weltkulturerbeliste gesetzt werden. In Schwangau sorgt das für Diskussionen. Bei einer Informationsveranstaltung zum Bürgerentscheid am 18. Juni wird deutlich, dass vor allem zwei Themen den Menschen im Ort Sorgen bereiten.

Rund 200 Bürger waren zum ersten von zwei Bürgerforen ins „Schlossbrauhaus“ gekommen, um Fachleuten der zuständigen Ministerien, der Schlösserverwaltung und des Denkmalschutzes ihre Fragen zu stellen und Befürchtungen zu äußern.

Schnell wurde dabei deutlich: es sind vor allem die Themen Schutzzone und Tourismus, die ihnen Bauchschmerzen bereiten. Dabei wird sich wohl so gut wie nichts ändern – so zumindest der Tenor der sechs Experten aus München. Demnach wird ein Eintrag des Schlosses in die Weltkulturerbeliste baurechtlich – Stichwort Pufferzone – keine gravierenden Auswirkungen auf die Ortsentwicklung haben. Für den Tourismus könnte eine erfolgreiche Bewerbung sogar eine Chance sein.

Bürger-Forum in Schwangau
Volles Haus: Rund 200 Schwangauer kommen am Mittwochabend ins „Schlossbrauhaus“, um den Experten aus München ihre Fragen zu stellen. © Matthias Matz

Trotzdem brannte vielen Anwesenden insbesondere das Thema Schutzzone und die damit möglicherweise verbundenen Einschränkungen unter den Nägeln. So wollte Gemeinderätin Dietlinde Nitzdorf konkret wissen, ob sie künftig in der Pufferzone noch einen Aussiedlerhof bauen dürfe. Auch weitere Fragen gingen in diese Richtung.

Die Fachleute versuchten die Befürchtungen zu zerstreuen. Es entstehe durch die Pufferzone „kein neuer rechtlicher Status“, betonte Dr. Alexander Wiesneth von der Schlösserverwaltung mehrfach und verwies darauf, dass das Schloss bereits seit Jahren unter Denkmalschutz stehe. „Eine Pufferzone ist keine Verschärfung des Denkmalrechts!“

Es gehe nicht darum, eine Käseglocke über das Schloss zu stülpen oder die Ortsentwicklung auszubremsen, erklärte er. Wichtig sei lediglich, dass die Sichtachsen auf das Schloss unbeeinträchtigt bleiben. Die Pufferzone sei vielmehr eine formale Voraussetzung für den Antrag. Bedeutet für Nitzdorf: Entspreche ihr Antrag dem Baurecht, dürfe sie ihren Hof bauen.

Keine Verschärfung

Ministerialrat Dr. Andreas Baur und Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil betonten im Laufe des Abends gleichfalls mehrfach, dass die Pufferzone keine rechtlichen Verschärfungen zur Folge haben werde und verwiesen immer wieder auf das Beispiel Regensburger Altstadt. Dort würden pro Jahr um die 900 Genehmigungsverfahren bearbeitet werden. Nur äußerst selten müsste dabei einmal die UNESCO eingeschaltet werden. „Es wird sich rechtlich nichts ändern“, erklärte Baur.

Peter Nasemann
„Das hätte der König so sicherlich nicht gewollt“, sagt Peter Nasemann. © Matthias Matz

Ein weiteres Thema, das vielen Schwangauern Sorgen bereitet, sind die Folgen, die ein Weltkulturerbe auf den Tourismus und die ohnehin schon arg strapazierte Infrastruktur im Ort haben könnte. Sie befürchten, dass der Titel noch mehr Touristen in den Ort lockt. „Das hätte der König so sicherlich nicht gewollt“, sagte etwa Peter Nasemann.

Auch Klaus Mielich, Dr. Michael Krehl oder Gemeinderätin Gisela Lederer sprachen das Thema Tourismus und Infrastruktur an. Sie sahen den Freistaat in der Pflicht, für Straßen und zusätzliche Parkplätze Geld in die Hand zu nehmen.

Blick nach Steingaden

Ministerialrat Hermann Auer betonte, dass weder die Schlösserverwaltung noch die UNESCO noch mehr Besucher auf dem Schloss haben wollen. Im Gegenteil: Ziel sei, die Besuchermassen zu regulieren und zu kanalisieren – Stichwort „nachhaltiger Tourismus“. Die an die 1,4 Millionen Besucher, die vor der Corona-Krise Neuschwanstein jährlich besuchten, seien für das Gebäude dauerhaft nicht verkraftbar. „Es ist vor allem das Schloss, das leidet“, sagte Auer mit Blick auf die seit Jahren laufenden aufwändige Restaurierungen. Deswegen werde schon jetzt der Zugang gedrosselt.

Offenbar mit Erfolg: im vergangenen Jahr besuchten ihm zufolge „nur“ noch rund 700.000 Menschen das Märchenschloss. Ministerialrätin a.D. Dr. Brigitta Ringbeck ergänzte, dass ein nachhaltiger Tourismus ganz oben auf der Anforderungsliste der UNESCO stehe.

Allerdings sei die Lösung der Infrastrukturprobleme im Ort eine langfristige Aufgabe, die nur gemeinsam mit den Schwangauern zu lösen sei. „Wir werden nicht gegen den Willen von Grundeigentümern vorgehen können“, betonte Prof. Pfeil mit Blick auf Flächen für Parkplätze. „Es hängt an verschiedenen einzelnen Personen.“

Sollten wegen der Vorgaben der UNESCO und der Schlösserverwaltung künftig weniger Besucher nach Schwangau kommen, müsse der Freistaat dafür Ausgleichszahlungen leisten, forderte hingegen Dr. Hans Ketterl. „Auf die Schlossbesucher können wir nicht verzichten“, mahnte er.

Für eine Bewerbung sprach sich auch Peter Nieder aus, der auf die Wieskirch im nahe gelegenen Steingaden verwies. „Da gibt es wohl keine negativen Erfahrungen, sonst hätten wir das wohl schon mitbekommen“, sagte er und empfahl Bürgermeister Stefan Rinke (CSU), doch mal bei seinem Steingadener Amtskollegen anzurufen.

Auch interessant

Kommentare