Die Restaurierung von Schloss Neuschwanstein ist eine bisher noch nie dagewesene Maßnahme
Schwangau/München – Es ist die womöglich größte und aufwändigste Sanierungsmaßnahme in der Geschichte der Bayerischen Schlösserverwaltung: Die Restaurierung der Räume von Schloss Neuschwanstein bei laufendem Besichtigungs-Betrieb.











Wie die Schlossverwaltung diese Aufgabe managen will und welche Herausforderungen dabei zu meistern sind, erläuterten die Verantwortlichen vergangene Woche bei einem Presse-Rundgang. Die täglich tausenden Besucher von Schloss Neuschwanstein bekommen derzeit „nicht alles“ bei den Führungen durch das im 19. Jahrhundert errichtete, weltbekannte Bauwerk zu sehen.
Das sagte der Verwalter des Märchenschlosses, Johann Hensel, anlässlich eines besonderen Rundgangs durch das „Märchenschloss“, bei der Jochen Holdmann, Vize-Präsident der Schlösserverwaltung, zahlreichen Medienvertretern die aktuell laufenden Maßnahmen zur Restaurierung der Prunkräume vorstellte. Demnach finden derzeit neben Restaurierungsarbeiten vor allem restauratorische Vor-Untersuchungen statt.
Außerdem werde eine Lüftungsanlage zur Verbesserung des Klimas für Kunstwerke und Besucher installiert. Dabei greifen die Techniker laut Heiko Oehme von der Bauverwaltung der Münchner Schlösserverwaltung auf Warmluftkanäle zurück, die der für seine Technikaffinität bekannte König Ludwig II. bereits seinerzeit habe einbauen lassen. Diese könnten durchaus genutzt werden. Größte Baustelle ist der Sängersaal, der bereits zur Hälfte eingerüstet ist.
Ein Teil des Gerüsts ist mit einem halbtransparenten bedruckten Screen versehen. Diese Maßnahme soll den Besuchern einen Blick auf die laufenden Restaurierungsarbeiten ermöglichen und zugleich einen Eindruck der Wandflächen vermitteln, wie sie ohne Gerüst aussehen. Holdmann bezeichnete die Maßnahme als „ein ganz eigenes, modernes Kunstwerk“ im Rahmen des Gesamtkunstwerks Schloss Neuschwanstein.
Nicht nur an diesem Gerüst leisten die mit der Restaurierung betrauten Experten laut Vize-Präsident Holdmann erstklassiges Kunsthandwerk, durch das die in den vergangenen 130 Jahren entstandenen Schäden wieder korrigiert werden sollen.
So habe die durch die Menschenmassen – bislang besuchten etwa 60 Millionen Menschen das Schloss – und andere Umstände hervorgerufene hohe Luftfeuchtigkeit insbesondere „den Farbfassungen an den Wänden und dem Parkettboden“ im Sängersaal geschadet, erklärte Oehme. Dazu kommen das raue Klima mit stark schwankenden Temperaturen und extremer Kälte am Tegelberg.
Über 20 Millionen Euro
Darüber hinaus verzeichnen die Experten Rissbildungen in der Fassade, die sich bis in die Innenräume hineingezogen haben, und bei Starkregen sei sogar manchmal Wasser die Wände heruntergelaufen.
Nach jahrzehntelang fehlendem Lichtschutz in den Räumen hätten darüber hinaus die Textilien unter der UV-Strahlung gelitten. Auch „unsensible Elektroinstallationen“, die nun entfernt werden sollen, hätten dazu geführt, dass die Schlösserverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Bauamt Kempten vor rund eineinhalb Jahren mit den Vorarbeiten zu dieser – laut Schlossverwalter Hensel „seit Errichtung des Schlosses noch nie dagewesenen Maßnahme“ – begonnen hat. Außer in einer eigens im Schloss eingerichteten Werkstatt kümmern sich Schlosser, Glaser, Wandrestauratoren, Trockenbauer und Elektriker um die Restaurierung.
Nach Angaben der Schlösserverwaltung in München sollen bis Ende 2022 insgesamt 2329 Positionen restauriert werden – darunter 93 Räume mit 184 Wand- und Deckenfassungen, 65 Gemälde, 355 Möbel, 228 Textilien und Lederobjekte, 322 kunsthandwerkliche Objekte, 315 Holzbauteile, 196 Natur- und Kunststeinobjekte sowie 664 Fenster und Außentüren. Restaurierungsziel ist demnach neben der Wiederherstellung eines gepflegten, gealterten Erscheinungsbilds eine dauerhafte Konservierung der historischen Ausstattung und Bausubstanz. Kosten werden die Arbeiten nach derzeitigem Stand rund 20 Millionen Euro.
lex/mm