Mit dem Finger über die Kirchendecke

Halblech – Mit der bayerischen Denkmalschutzmedaille ist der Buchinger Xaver Mahler jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Seit über 60 Jahren ist der Stuckateur in ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland unterwegs und sichert, rekonstruiert und saniert alte Stuckarbeiten.
Schon als kleiner Bub, erinnert sich Xaver Mahler, habe er beim Gottesdienst lieber die Deckengemälde und Stuckarbeiten mit dem Finger nachgezeichnet. Da muss wohl schon die Grundlage gelegt worden sein für den späteren Beruf des Buchingers. Wo er schließlich überall arbeiten würde, konnte Mahler aber nicht vorhersehen, als er 1954 seine Lehrstelle bei der Firma Schnitzer antrat, der er bis 1972 treu blieb. Die Stelle sei ein Glücksfall gewesen, meint Mahler heute. Denn in dem Betrieb in Bayerniederhofen konnte er sein Talent einbringen, kamen Profession und Passion zusammen.
So sei es bis heute geblieben, sein Beruf ist auch sein Hobby. Wobei die Lehrstelle nur die Grundlagen geliefert habe für ihn, weitergebildet hat sich Mahler in vielen Stunden selbst: „Nach der Arbeit bin ich halt dageblieben und hab gezeichnet und die Vorlagen studiert“. Es geht um die Ornamente, die Plastiken an Decken und Wänden, Balkonen und Emporen – man müsse das Gesamtkonzept der Künstler von einst erkennen: „Man muss die Formensprache verstehen“. Mittlerweile kennt Mahler die Vorbilder in und auswendig, jeder hatte seine eigene Handschrift, die Mahler heute nachvollziehen muss.
Selbst kreativ werden
Außer wenn, wie in St. Peter, der komplette Balkon fehlt oder die Decke im Schloss Tettnang. Dann wird Mahler zum Künstler, entwirft eine Vorlage und darf die, wenn der Denkmalschutz mitspielt, auch so umsetzen. Dabei verdankt Mahler aber seinem Chef von einst viel, wie der Stuckateur erklärt. Denn der hatte ihn mitgenommen auf die Baustellen in der Residenz in München und dem Schloss Bruchsal und gleich in die Arbeit mit eingebunden. So entwickelte Xaver Mahler sein Talent und bildete sich beständig weiter.
Wie gut er ist, lässt eine Begebenheit aus Baden Württemberg erahnen. Seinerzeit hätte er zum Bund gemusst, erinnert sich Mahler. Die Folge: Er hätte nicht mehr am Schloss Bruchsaal mitarbeiten können. „Dann haben die in Karlsruhe sich dafür eingesetzt, dass ich nicht zum Barras musste“– erfolgreich.
Arbeit geht nicht aus
1972 schließlich machte sich Mahler selbstständig und gründet die Arbeitsgemeinschaft Lang – Mahler – Fischer, zuerst mit Franz Lang, 1975 stieß dann auch Werner Fischer zu dem Team, dem die Arbeit nie ausgeht. Das Schloss in Tettnang, der Mittelbau am Schloss Rimpach, der nur anhand von Skizzen wieder aufgebaut wird, St. Lorenz in Kempten, die Stiftskirche in Lindau und auch Schloss Neuschwanstein stehen in den Auftragsbüchern. Dazu viele Kirchen in der Schweiz und Tirol. „Aber auch profane Bauwerke“, so Mahler, „vor allem für den Staat“.
Die Aufträge ergeben sich für die Spezialisten quasi von selbst. Denn die Arbeitsgemeinschaft, deren Nachfahren heute noch für einander zur Verfügung stehen, wenn es darauf ankommt, erarbeitete sich einen hervorragenden Ruf.
Jedes Detail kennen
So werden Mahler und seine Mitarbeiter per Mundpropaganda weitergereicht. Man kennt sich in der Branche, in der derzeit ein bisschen Nachwuchsmangel herrscht.
Aber Mahlers Sohn hält die Familientradition hoch und auch Xaver Mahler ist mit seinen 77 Jahren noch unterwegs: sein Hobby ist Berufung bzw. der Beruf seine Passion.
Jedes Detail der Künstler kennt Mahler, erkennt auf Anhieb die Vorbilder und weiß, wie er vorzugehen hat, wenn er auf eine neue Baustelle kommt. Dabei greift sein Handwerk zu denselben Werkzeugen, verwendet dieselben Materialien wie vor zwei, drei oder 400 Jahren, auch wenn es heute die eine oder andere Erleichterung gibt.
Vor allem aber hat Mahler sein Wissen weitergegeben, wofür er nun unter anderem und stellvertretend für die Kollegen, die Denkmalsmedaille erhalten hat. Um die Denkmäler in Bayern mit Ausdauer und Kreativität verdient gemacht hätten sich er und seine Kollegen, hieß es bei der Verleihung. „Die Medaille würdigt ihren beispielgebenden Einsatz“, erklärte Kultusminister Ludwig Spaenle.
Oliver Sommer