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75 Jahre Neugablonz: Ein Ort zum Leben für Alt und Jung

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Von: Ingrid Zasche

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Historische AufnahmeVerkäufer in der Drogerie Sussmann am Salzmarkt Neugablonz
Von 1952 bis 1972 ist Günther Skopan in der Drogerie Sussmann beschäftigt, hier in der Filiale am Salzmarkt. © Privat

Neugablonz – 2021 wurde die Erfolgsgeschichte des Vertriebenenorts Neugablonz 75 Jahre alt. Vom 9. bis 12. September 2022 soll das mit dem „Neugabiläum“ gebührend gefeiert werden. Seit seinen Anfängen hat sich in Neugablonz viel verändert. Der Kreisbote lässt stellvertretend für die bunte Menschenvielfalt, die hier eine Heimat gefunden hat, acht ganz unterschiedliche Neugablonzer Bürger zu Wort kommen, die als Vertriebene oder aus beruflichen Gründen Neugablonz als Wohnort gewählt haben, die hier aufgewachsen oder gar zur Welt gekommen sind. Den Auftakt der Interview-Reihe macht Günther Skopan, geboren 1928.

Er wurde in Gablonz als Sohn eines selbständigen Gürtlers geboren und hat zunächst die Volks- und Bürger-Knabenschule in der Schulgasse, später das Kesselstein-Gymnasium besucht. Bis Ende 1943 war er als Gymnasiast in einem Internat in Goldberg/Schlesien.

Anfang 1944 wurde er als Flak-Helfer eingezogen und in Berlin eingesetzt, wo der Schulunterricht in den Kernfächern fortgesetzt wurde. Die 135 Mann starke Flak-Einheit wurde zunächst von den Russen stark dezimiert, der Rest geriet später in amerikanische Gefangenschaft.

Herr Skopan, Sie sind aus dem Lager geflohen und haben sich nach Geretsried zu einem Gutshof durchgeschlagen. Da waren Sie noch zu dritt. Sie bekamen eine Schlafstätte und Essen, als Gegenleistung mussten sie im Stall arbeiten. 1948 gelang Ihnen dann, Ihre Eltern aus der Tschechei nach Geretsried zu holen. Wann und wie sind Sie nach Neugablonz gekommen?

Günther Skopan 2022 in seinem Wohnzimmer
Günther Skopan 2022 in seinem Wohnzimmer. © Zasche

Günther Skopan: „Da ich schon immer ein Interesse an Gesundheit und Medizin hatte, habe ich 1950 in der Sussmann-Filiale am Salzmarkt in Kaufbeuren eine Lehre als Drogist angefangen. Meine Eltern kannten den Inhaber aus Gablonz. Ich war mittlerweile 22 Jahre alt und musste als ‚Altlehrling‘ nur noch zwei Jahre lernen.

1952 bin ich nach Neugablonz in die Hauptstelle der Drogerie Sussmann am Neuen Markt gewechselt. Ich arbeitete im Fotolabor, im Lager, manchmal habe ich auch bedient und Kundenbesuche in der Industrie gemacht. Bis 1972 war ich bei Sussmann angestellt, dann wechselte ich als Einkäufer zur Firma Kaes. Hier blieb ich bis zu meinem Ruhestand.

Nebenher habe ich mich zum Hobby-Koch entwickelt. Nachdem ich in Rente kam, bin ich gerne und viel gereist. Meine Reiseerlebnisse habe ich als Fotograf und früheres Mitglied des Neugablonzer Fotoclubs in Bild und Film festgehalten. Wegen meiner zunehmenden Sehschwäche sind meine Aktivitäten aber inzwischen stark eingeschränkt.“

Wie sah es in Neugablonz damals aus?
Günther Skopan: „Es gab noch sehr viel Wald in und um Neugablonz, viele Baracken, Notbehausungen und Bunkerreste und wenig befestigte Straßen. Die Drogerie Sussmann befand sich in einem der fünf Kioske am Neuen Markt gegenüber dem Textilgeschäft Hampel. Die wenigsten Wohnungen hatten ein Bad. Als wir unsere Wohnung am Neuen Markt über der heutigen Sparkasse bezogen haben, habe ich als Allererstes den Luxus einer Badewanne genossen. In der Wohnung lebe ich übrigens heute noch.“

Wie hat sich Neugablonz in Ihren Augen seitdem verändert?
Günther Skopan: „Es hat sich sehr positiv verändert. Die ursprünglichen kleinen Häuschen mit integrierter Drückerhütte sind alle größer geworden. Viele wurden auch völlig neu gebaut, meist durch das Gablonzer Siedlungswerk, für das seinerzeit Dr. Muschak zuständig war. Und es hat ein schönes Schwimmbad bekommen. In meiner Freizeit habe ich mich immer für den Schwimmsport interessiert und war später ehrenamtlich als Abteilungsleiter im Schwimmverein tätig.“

Was gefällt Ihnen an Neugablonz im Besonderen?
Günther Skopan: „Hier habe ich 1957 meine Frau Siglinde kennengelernt. 1959 haben wir geheiratet und bis zu ihrem Tod im Jahr 2019 wunderbare Jahre miteinander verbracht. Aus einem bloßen Wohnort ist Heimat geworden – auch wenn die eigentliche Herzens-Heimat immer Gablonz a. N. bleiben wird und die Menschen, die es noch gekannt haben, naturgemäß leider immer weniger werden. Aber hier kann man wenigstens gelegentlich immer noch unsere heimatliche Mundart hören, das Paurische.“

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