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„Theater-Sternchen“ – Kreativ oder Kinderarbeit?

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Spätschicht auf der Bühne für „die kleinen Strolche“: Ronja Zajicek (v. li.), Lina Waldmüller, Mathilda Zajicek, Anna Loos und Maximilian Waldmüller. © Wischhöfer

Von Jürgen Wischhöfer

Kaufbeuren – Nein, nicht nur Spaß und Freude bedeutet die Teilnahme von Kindern in Theaterstücken, die abends von 20 bis 22 Uhr zur Aufführung kommen. Das Theater Kaufbeuren hatte bei der „Drei Groschen Oper“ noch kurz vor der Premiere einige unerwartete bürokratische Hürden zu überwinden.

Kinder von Schauspielern stellen sich bestimmt irgendwann, wenn sie abends, ohne Mama oder Papa, ins Bett gehen müssen, die Frage, was macht denn eigentlich der abwesende Elternteil an diesem Abend? Natürlich sind die Sternchen vom Theater Kaufbeuren schon hier und da mal bei einem Probenabend mit dabei gewesen, aber eine richtige komplette Abendvorstellung im Stadttheater hatten sie sicher noch nicht erlebt. Hier hat das Ensemble des „Theater Kaufbeuren“ unter der Regiearbeit von Barbara Lackermeier aus der Not eine Tugend gemacht. So wurden „die kleinen Strolche“, Anna Loos, Lina und Maximilian Waldmüller sowie Mathilda und Ronja Zajicek als Darsteller mit in das Stück und natürlich auch in das Programmheft integriert.

Mit dem bekanntesten Lied der Drei Groschenoper, der Moritat von „Mackie Messer“, die der Autor Berthold Brecht erst nachträglich in das schon fertige Werk vor 100 Jahren eingefügt hatte, umrahmte das Quintett, Anna, Lina, Mathilda, Ronja und Maximilian die Vorstellungen im Stadttheater.

Kinder und Eltern auf der Bühne

Probenbeginn für das Ensemble war im Frühjahr 2022 gewesen und gleich nach den Sommerferien begann auch für die Strolchedarsteller im Alter von sechs bis elf Jahren der Ernst des Theaterlebens. Mit der Musiklehrerin des Mariengymnasiums Kaufbeuren, Kathrin Zajicek – Darstellerin der Polly – wurde die erste Strophe der Moritat (ein schauriges Bänkelsängerlied) eingeübt und an drei Gesamtproben auf der Bühne im Stadttheater zusammengefügt. Schauspielerkinder und Eltern auf den Brettern, die die Welt bedeuten, vereint.

Das Jugendamt schreitet ein

Alles war gut, berichtete Stephanie Nell, die Mama von Anna und selbst Darstellerin der Lucy. Bis zwei Wochen vor der Premiere das Jugendamt auf den Plan trat und sich nach den erforderlichen Genehmigungsdokumenten für die Kinder erkundigte. Laut Nell war den Eltern und dem Theater Kaufbeuren bekannt, dass das Jugendarbeitsschutzgesetz Ausnahmeregelung für Kinder von sechs Jahren und älter erlaubt. In diesem Alterssegment sind vom Gesetzgeber täglich drei Stunden gestalterische Tätigkeit in der Zeit von 20 Uhr bis 22 Uhr im Film, TV und Theater zugelassen. Das Problem waren die noch immer fehlenden erforderlichen Dokumente. So mussten die Eltern ein umfangreiches Formular ausfüllen, für jedes Kind ein ärztliches Unbedenklichkeits­attest vorlegen, ein persönliches Gespräch mit den Eltern und dem Kind beim Jugendamt geführt werden und darüber hinaus auch von der Schule eine Bestätigung einholen, dass die schulischen Leistungen während der begrenzten Theaterzeit nicht leiden würden.

Da kamen die Eltern ins Schwitzen, erzählte Stephanie Nell. Innerhalb von drei Tagen lagen alle Dokumente zur Vorlage beim Jugendamt vor. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2022 teilte das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Schwaben dem Theater Kaufbeuren mit, dass die fünf genannten Kinder in der Aufführung „Der Dreigroschenoper“ gestalterisch mitwirken dürften.

Am 15. Oktober begannen dann zehn, vom Publikum gefeierte Theaterabende mit den „kleinen Strolchen“ und komplett ausverkauften Vorstellungen. Was wäre eigentlich passiert, wenn auch nur ein einziges Genehmigungsdokument gefehlt hätte? Diese Frage stellten sich einige der Ensemblemitglieder.

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