Opfer spricht von Blackout
Keine Angaben zum Tathergang konnte das Opfer selbst machen, das als Zeuge in eigener Sache geladen war. Er habe einen Blackout gehabt, gab er an. Doch er erinnere sich, dass es laut gewesen sei, und dass er an diesem Abend leider sehr in Rage geraten sei. Leider komme das öfters vor, gerade wenn es zu Hause Probleme gebe. An das Gesicht des Angeklagten konnte er sich nicht erinnern. Beim Eintreffen der Polizei an jenem Abend hatte er selbst auch keine Anzeige machen wollen. Ferner hatte er einen Atemalkoholtest verweigert und es abgelehnt, sich von den herbeigerufenen Rettungskräften untersuchen zu lassen. Zu Hause, berichtete er der Richterin, habe er Hämatome an der rechten Körperseite und am Schenkel festgestellt. Sein Gesicht sei nicht verletzt gewesen. Auch die Polizei hatte nach eigenen Angaben an jenem Abend keine Gesichtsverletzungen beim Opfer festgestellt. Außer dem Polizeibeamten bestätigte nur eine Zeugin formell, dass der Tritt das Gesicht des Opfers tatsächlich getroffen hatte, also nicht nur angedeutet war. Dieselbe Zeugin wollte auch Blut an der Nase des Opfers gesehen haben, relativierte ihre Beobachtung aber auf Nachhaken des Verteidigers.
Dennoch verurteilte die Richterin den Angeklagten im Anschluss an die Plädoyers wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro.
Juristische Unterscheidungen
Vom Straftatbestand der Gefährlichen Körperverletzung hatte beim Plädoyer auch die Staatsanwältin abgesehen, weil die Zeugen angegeben hatten, dass der Angeklagte an jenem Abend „normales Schuhwerk“ getragen hatte, das kein „Werkzeug im strafrechtlichen Sinne“ darstellt und somit grundsätzlich auch keine „abstrakte Lebensgefahr“ mit sich bringt. Nicht zuletzt auf Grund der beiden Zeugenaussagen, die eindeutig berichteten, dass der Angeklagte das Opfer auch wirklich getroffen hatte, sah es das Gericht als erwiesen an, dass es ein gewalttätiges Zusammentreffen zwischen den beiden Männern gegeben habe. Sichtbare Verletzungen beziehungsweise deren Fehlen, so die Richterin, seien dabei nachrangig, weil man juristisch zwischen dem Akt der Misshandlung und deren Auswirkungen unterscheiden müsse. Mildernd wirke sich beim Strafmaß aus, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholisiert gewesen sei und zuerst in guter Absicht einschreiten habe wollen, und das obwohl er, wie es die Richterin ausdrückte, vom Opfer auf „widerliche, rassistische und unangemessene Art“ verunglimpft worden sei. Erschwerend, so die Richterin, wirke sich dagegen das Vorstrafenregister des Angeklagten mit insgesamt neun Delikten aus, zu denen unter anderem Sachbeschädigung, Diebstahl, Körperverletzung, Trunkenheit am Steuer sowie das Fahren ohne Fahrerlaubnis gehören. Ob gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden sollen, ließ die Verteidigung offen.