Bei hochbetagten und an Demenz erkrankten Senioren kann die Erinnerungsarbeit helfen, die kognitiven Kräfte zu erhalten und so dem „Zerfallen” von Erinnerungen entgegenwirken. Die Erinnerungsarbeit stützt sich auf vertraute Gegenstände und Bilder, die einen Bezug zum früheren Alltag haben. Und genau das kann der Jugend-Kultur-Führer den Marktoberdorfer Senioren bieten, denn er schafft einen bildhaften und sinnlich erfahrbaren Bezug zur Stadtgeschichte, den Geschichten der Stadt, zu ihren konkreten Bauwerken und zur gesamten Alltagsumgebung im Stadtbild wie im Umland.
Die zunächst nicht sofort auf der Hand liegende Idee entwickelte sich in den Köpfen von Lucia Golda und Monika Schubert von der Theaterschule Mobilé. Alles begann damit, dass Monika Schubert eine Printausgabe des Führers einem Bekannten im Seniorenalter zum Lesen mitbrachte. Dieser war sofort begeistert von dem kreativ gestalteten Heft. Denn gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, oder sich gar im Lockdown befinden, bietet der Kulturführer informative und vor allem interessante Informationen über Marktoberdorf und seine Umgebung. So stellte sich heraus, dass das Heft, das ursprünglich für unterwegs gedacht war, gerade auch für die „Daheimbleibenden” ein überaus wertvoller „Link” nach draußen in ihre Stadt, ihre Heimat sein kann.
Von dieser neuen Verwendungsmöglichkeit ebenso begeistert war Christoph Thoma vom Verein Kulturwelt Marktoberdorf, der das Projekt mit seinen Schülern im Offenen Ganztag der Don-Bosco-Schule verwirklicht hatte.
Und so kam es, dass der Jugend-Kultur-Führer vergangene Woche in einem symbolischen Akt an die Bewohner der Einrichtungen Clemens-Kessler-Haus und Gulielminetti Senioren- und Pflegeheim übergeben wurde. In der Anwesenheit von Christoph Thoma, den beiden Einrichtungsleitenden Renate Dauner und Andreas Hüller sowie Sabine Bessler von der Sozialen Betreuung überreichte Lucia Goldau den Kulturführer quasi generationenübergreifend an die Heimbewohnerin Anna Langer – stellvertretend für alle Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Senioreneinrichtungen.
Das Angebot Christoph Thomas, dass sich die jugendlichen Scouts nach der Pandemie mit den Senioren auch einmal persönlich treffen und sich gegenseitig kennenlernen könnten, stieß bei den Heimleiterinnen und Heimleitern auf große Gegenliebe: „Ja, das fehlt derzeit schon sehr”, sagte Andreas Hüller. Es fehlt einfach die Jugend!” Und seine Kollegin Renate Dauner pflichtet ihm bei: „Ja, das stimmt, und damit natürlich auch das jugendliche Interesse und die Unbekümmertheit”.
Mehr Unbekümmertheit wünscht sich auch Anna Langer, die seit sechs Jahren Heimbewohnerin ist. Für den Kulturführer fand sie in ihrer kurzen Rede viele lobende Worte – insbesondere für die Gestaltung der Einträge und für die unterhaltsamen Rätsel.
Felix Gattinger