1. kreisbote-de
  2. Lokales
  3. Kaufbeuren

Ein Dorf meldet sich zu Wort

Erstellt:

Kommentare

null
Oberbürgermeister Stefan Bosse (links) erläuterte zusammen mit Baureferent Helge Carl die Hintergründe der Planung eines Bauvorhabens bei der Hirschzeller Bürgerversammlung. © Becker

Kaufbeuren – Bei der Bürgerversammlung im Kaufbeurer Stadtteil Hirschzell gab es nur ein beherrschendes Thema: eine geplante Wohnbebauung im Ortskern. Im Vorfeld hatte sich Unmut darüber breitgemacht, dass die Bewohner über einen vorgesehenen Flächentausch von Grundstücken und den Umfang des Wohnprojektes nicht informiert waren.

Sie machten in der Veranstaltung aus ihrer Sicht Beteiligungsrechte geltend und sahen die Ursprünglichkeit des Dorfes in Gefahr. OB Stefan Bosse wehrte sich gegen Vorwürfe der „Geheimniskrämerei“ und erläuterte mit Unterstützung des Baureferates detailliert die bisher vorliegenden Pläne für 23 Wohneinheiten. 

Das Gerätehaus der Hirschzeller Feuerwehr hat vermutlich nur bei seiner Einweihung eine ähnlich hohe Anzahl an Besuchern gesehen. Aber bestimmt nicht in dieser Konzentration. Mit annähernd 250 Besuchern platzte die Lokalität für die Bürgerversammlung am Dienstagabend aus allen Nähten. 

Und Interesse gab es nur an einem Thema: dem geplanten Bauvorhaben eines Investors mit 23 Wohneinheiten und 30 Stellplätzen am Heriloring im Dorfzentrum. Dabei standen Vorwürfe im Raum, eine „investorfreundliche Politik“ zu betreiben: „Ihr seid dem Investor maximal entgegen gekommen“, so Herbert Pelzl an die Adresse der Stadtverwaltung und Stadtspitze. „Wir sind nicht dem Bauträger, sondern den Zielen der Stadt für zusätzlichen Wohnungsbau verpflichtet“, entgegnete der OB. 

Er erläuterte ebenfalls die Situation dahin gehend, dass auf der Fläche Baurecht bestehe und eine Bebauung einklagbar sei. Betreffend den Verkauf des Grundstückes fügte er ergänzend hinzu: „Wenn jemand seinen Wunschkäufer mit einem ihm genehmen Preis findet, ist das genauso legitim wie der möglichst angestrebte hohe Ertrag eines Investors“. 

In einem Schreiben an die Stadträte hatten mehrere Dorfbewohner aus verschiedenen Gründen um eine Ablehnung der Verlegung einer Ausgleichsfläche gebeten. Sie machten unter anderem Beeinträchtigungen im Straßenverkehr und des Kirchen-, Schul- und Vereinslebens geltend. Zudem sahen sie mit den aus ihrer Sicht „hochpreisigen Zwei- bis Dreizimmerwohnungen“ das „Familienziel Kaufbeuren“ geschwächt. 

Der OB machte jedoch klar, dass die Wohnungen kombinierbar und damit größer und für Familien nutzbar seien. Eine Bürgerin fand es „schade für die Dorfmitte“, dass keine Eigentümer, sondern Mieter als Nutzer geplant seien. Dem widersprach der OB heftig: „Wir können doch nicht anfangen, Mieter zu diskriminieren. Das kann ich nicht akzeptieren!“ 

Im Kern geht es den Bewohnern wohl neben einer veränderten Dorfstruktur mit vielen Mietern um die befürchtete Verringerung der ohnehin knappen öffentlichen Stellplätze. Nach den Aussagen der Dorfbewohner führt dies bereits jetzt dazu, dass vielfach externe Besucher auf privaten Grundstücken parken. Daraus resultiert die Forderung der Bürger nach einer Tiefgarage, die jedoch aus Kostengründen vom Investor abgelehnt wird. 

Am Ende der Veranstaltung versprach die Stadtspitze, in einem Gespräch mit dem Grundstückseigentümer und Investor nach Lösungen zu suchen und einen „Ausgleich hinzubekommen.“ 

Entscheidung vertagt 

Ulrike Seifert, Stadträtin der Grünen, plädierte für einen Dialog und kündigte von ihrer Fraktion einen Antrag an den Bau- und Umweltausschuss zur Beurteilung des Bauvorhabens durch den seit Mai dieses Jahres bestehenden Gestaltungsbeirat an. 

Am Donnerstag wurde gemäß Pressemitteilung des OB der zur Abstimmung stehende Grundstückstausch von der Tagesordnung der am 29. September anstehenden Stadtratssitzung gestrichen und vertagt, bis nach Abstimmung mit dem Investor mögliche Planungsänderungen zu dem Wohnprojekt vorliegen. 

Auch die westlich des Bauvorhabens verlaufende Bärenseestraße geriet in den Fokus der Diskussion, da die ursprünglich für 2016 geplante Sanierung mangels Kapazitäten auf 2017 verschoben werden muss. 

Lediglich ein Thema konnte der OB anfangs der jährlichen Veranstaltung noch anbringen: den aktuellen Stand zur Asylbewerber-Zuschleusung in Kaufbeuren. Deren Zahl wird nach den Worten des Oberbürgermeisers bis zum Jahresende auf 600 ständig anwesende Asylbewerber ansteigen. Daher gebe es Überlegungen, größere Objekte für 250 Bewohner zu errichten.

von Wolfgang Becker

Auch interessant

Kommentare