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„Hilfe zur Selbsthilfe“ im Repair-Cafe Kaufbeuren – Kreisboten-Reporter wagt den Selbstversuch

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Gregor Ruso repariert E-Gitarre
Mit dem Blick eines Fachmannes findet Gregor Ruso den Fehler an einer E-Gitarre. © Krusche

Kaufbeuren – Allzu schnell werden Alltagsgegenstände weggeworfen, wenn sie einen kleinen Fehler aufweisen, der mit einem kleinen „Eingriff“ erledigt werden könnte. Das Repair-Cafe in Kaufbeuren ist eine gute Anlaufstelle für kleine Reparaturen. Kreisboten-Reporter Wolfgang Krusche hat den Versuch gewagt und das Repair-Cafe mit seiner E-Gitarre auf die Probe gestellt.

Was habe ich mich geärgert? Vor einigen Wochen gab meine E-Gitarre keinen Ton mehr von sich. Nur noch ein klägliches leises „Twäng“ war zu hören, aber aus dem Verstärker kam kein Ton mehr. Also erst mal den Verstärker überprüft und die Batterie für die eingebaute kleine Elektronik gewechselt, aber ohne Erfolg. Und so legte ich traurig mein Instrument in die Ecke und stellte mich schon innerlich auf einen Neukauf ein, weil eine elektrisch verstärkte Gitarre ohne Elektrik keinen Sinn macht.

Alles organisiert

Repair-Cafe Kaufbeuren  Textilreparaturen
Im Repair-Cafe Kaufbeuren werden kleine Textilreparaturen gemacht und auch gerne gezeigt, wie es geht. © Krusche

Doch dann lese ich im Veranstaltungskalender vom Repair-Cafe in Kaufbeuren, jeweils am zweiten Samstag Nachmittag im Monat. Ich wundere mich noch, dass ein Besuch nur nach Voranmeldung möglich ist und beim kurzen Telefonat auch die Art des Gerätes erfragt wird. Die Aufklärung kommt, wenn man die Räume im Generationenhaus am Hafenmarkt 6-8 betritt. Da ist alles durchorganisiert. Am Eingang wird ein Laufzettel mit einer Fehlerbeschreibung erstellt und an eine Pinnwand gehängt, wo ihn dann die Helfer je nach ihren Kenntnissen abholen und in enger Zusammenarbeit mit dem Besucher an separaten Tischen dem „Patienten“ zu Leibe rücken. Gerhard Justkowiak, einer der Gründer des Repair-Cafes im Jahre 2018, erklärt: „Wir reparieren hier bei uns Haushaltskleingeräte, Unterhaltungselektronik und Spielzeug aller Art, um sie vor dem Wegwerfen zu retten.“ Denn oft seien es nur Kleinigkeiten und manchmal hilft auch nur eine gründliche Reinigung, beispielsweise bei Staubsaugern oder Kaffeemaschinen. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist kostenfrei. Mit erhaltenen Spenden beschafft sich das eingeschworene Team aus 20 Personen, das bereits Preisträger des Umweltpreises und Preisträger für bürgerliches Engagement der Stadt Kaufbeuren ist, Verbrauchmaterialien und Messgeräte.

Über 1000 „Patienten“ bereits zu Leibe gerückt

Stolz erzählt Justkowiak von einer Erfolgsquote von 50 bis 60 Prozent bei 1.000 angenommen Reparaturaufträgen bis Ende letzten Jahres. Hans-Joachim Müller, ein weiterer Initiator des Repair-Cafes, bestätigt: „Wir wollen einen Beitrag leisten zu Müllvermeidung und Ressourcenschonung.“ Nicht angenommen werden Handys und Computer oder Laptops. „Da verweisen wir an das Internet-Cafe in Kaufbeuren“, winkt Müller ab, „und große Möbel oder TV-Geräte nehmen wir aus Platzgründen nicht an“. Man wolle auch keine Konkurrenz zu gewerblichen Dienstleistern darstellen und setzte deshalb auf die gemeinsame Reparatur mit den Besuchern.

Textilien und Kleidung

Müllers Frau Rose sitzt mit einer weiteren Helferin an einem Tisch hinter Nähmaschinen. Hier werden Stofftiere oder eine geplatzte Naht repariert oder gezeigt, wie das geht. Sie betont: „Änderungen an Kleidung oder ähnliches machen wir nicht“. Im aktuellen Fall wurde ein Familienvater glücklich gemacht. Mit zwei neuen Stoffarmen an seinem grünen Stofffrosch aus eigenen Kindertagen wird das „Leben“ des Frosches verlängert und dient nun als emotionales Geschenk für sein kleines Kind.

Kleine Ursache große Wirkung

In das Batteriefach meiner E-Gitarre taucht inzwischen Gregor Ruso ein und hat auch gleich den Fehler gefunden. Der Ingenieur deutet mit dem Blick eines Fachmannes auf einen versteckten Draht ohne Anschluss und lötet ihn kurzerhand an die einzige freie Stelle. Und schon erwacht meine Gitarre aus dem mitgebrachten Verstärker wieder zum Leben. Nach dem Grund gefragt, warum er an einem Samstagnachmittag ehrenamtlich Dinge repariert, anstatt zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen, antwortet er: „Es freut mich, wenn nach einer erfolgreichen Reparatur die Besucher wieder glücklich sind und es ärgert mich, wenn vieles einfach weggeworfen wird.“

Es stimmt! Ich bin froh über die erfolgreiche Instandsetzung und gebe gerne eine kleine Spende in die Spendendose. Gerne wieder, liebes Repair-Cafe-Team. Näheres findet man unter www.repaircafe-kaufbeuren.de.
Von Wolfgang Krusche

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