1. kreisbote-de
  2. Lokales
  3. Kaufbeuren

Schwerpunkte des Kaufbeurer Innenstadtkonzepts vorgestellt – Verkehrssituation ausgeklammert

Erstellt:

Von: Wolfgang Becker

Kommentare

Möblierungselement Kaufbeurer Innenstadt 2022
Die Kaufbeurer Innenstadt soll künftig durch weitere Möblierungselemente noch gemütlicher werden. © Becker

Kaufbeuren – Die Bemühungen um eine Belebung der Innenstadt geht in die nächste Runde. Oberbürgermeister Stefan Bosse stellte bei der jüngst stattgefundenen Sitzung des Innenstadtbeirates den Mitgliedern die mit der Verwaltung definierten Eckpunkte für die zukünftige Innenstadtentwicklung vor.

Entwurfszeichnung Sitzlandschaft mit Bewuchs
Solche Sitzlandschaften mit Bewuchs sind für die Kaufbeurer Innenstadt geplant. © Stadt Kaufbeuren

Dabei handelt es sich um zwölf Maßnahmenpakete, die bereits im Frühjahr Bestandteil des damals vorgestellten Rahmenplans waren (wir berichteten). Nunmehr waren diese sogenannten Impulsprojekte aus vier formulierten Oberzielen hervorgegangen, deren Grundlage Analysen und Stadtratsklausuren bildeten und im Dezember dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden sollen. Allerdings wurde das Verkehrskonzept ausgeklammert, darüber wird in einer gesonderten Stadtratsbefassung entschieden.

„Wir stellen heute die Dinge vor, die weitgehend unstrittig sind“, sagte der OB eingangs. „Aus Sicht der Verwaltung werden wir dem Stadtrat zum Verkehrskonzept keine Vorschläge machen.“ Aus seiner Sicht jedoch wird „der Verkehr überhöht betrachtet“. Baureferent Helge Carl stellte die auch zur Finanzplanung der Stadt passenden und bekannten Projekte nochmals im Detail vor. Sie reichten vom Bahnhofsareal mit Jordanpark, Mühlbach und Spittelmühle über die Innenstadt mit dem möglicherweise autofreien Wohn- und Bildungsquartier Heinzelmannstraße bis hin zu den Bebauungen am Afraberg und dem Blasiusblick.

Auch die vier bekannten Varianten zur Verkehrsführung mit Parkraumbewirtschaftung präsentierte Carl abermals, kommentierte sie aber lediglich mit dem Hinweis, dass schon geringste Maßnahmen eine qualitative Verbesserung in der Altstadt bringen würden. Das City- und Eventmanagement sollen ebenfalls zusammen mit dem Einkaufsverbund mit entsprechend koordinierten Absprachen über Raumnutzungen und Veranstaltungen zu einer Stärkung der Innenstadt beitragen.

Temporäre Möblierung

Detailliert stellte der Referent zehn temporäre Möblierungselemente vor, die nach jetziger Planung im nächsten Jahr hauptsächlich im Bereich Kaiser-Max- und Ludwigstraße platziert werden könnten und für drei Jahre ausgelegt sind. Ein Element kostet zwischen fünf- und zehntausend Euro, wobei die Maßnahme zu 80 Prozent aus öffentlichen Mitteln gefördert wird. Dabei handelt es sich nicht nur um offene, naturnahe und barrierefreie Sitzlandschaften mit strukturbildender Vegetation, sondern auch um Spielinseln. Ziel ist eine Steigerung der Attraktivität für Besucher und Bewohner durch Erprobung neuer Nutzungs-und Veranstaltungsformen in modularer Bauweise. Sie ermöglichen den Aufenthalt im Freien ohne Konsumzwang und schaffen Anreize für Familien mit Kindern. Die Elemente gestatten flexible Verlagerung, sodass unterschiedliche Standorte getestet werden können.

Reaktionen aus dem Beirat

Der Innenstadtbeirat besteht aus Vertretern der Bürgerschaft, von Handel, Dienstleistern und Organisationen sowie Stadträten aller Fraktionen. Der Beirat wird zweimal jährlich einberufen, um über die Innenstadtentwicklung zu beraten. Grundsätzlich trafen die Vorschläge auf eine gute Resonanz. Guido Zeller (Aktionsgemeinschaft Kaufbeuren, AK) sagte, dass die Maßnahmen in der Summe die Stadt „nach vorne bringen“ würden. Wichtig wäre jedoch auch, die „kleinregionale Zusammenarbeit“ zu fördern. Er bezog sich dabei auf die Einbindung des „Altlandkreises“ und wünsche sich auch Möblierungselemente in der Fußgängerzone mit den angrenzenden Bereichen. Dr. Ulrich Klinkert (Heimatverein Kaufbeuren) war von den Maßnahmen „sehr angetan“, wies aber darauf hin, dass eine Möblierung auch von der Verkehrsführung abhänge: „Ich kann keine Spielinsel machen, wenn ein Auto daran vorbei fährt!“

Stadträtin Ulrike Seifert (Grüne) sprach von einem „Kaiser-Max-Marktplatz“ als Experiment, den man doch im Sommer bespielen und Erfahrungen sammeln könne. Grün in der Innenstadt reduziere die Aufheizung und sie sah auch andere Einkaufszeiten als Lösungsansatz. Ulf Jäkel (Kaufbeuren Tourismus und Stadtmarketing e. V.) wiederum befürchtete nach der Coronakrise bei Eingriffen in die Mobilität eine „schlechte Stimmungslage im Handel“. Die Kaiser-Max-Straße sei „schwer zu bespielen“, obwohl man vor Corona an 125 Tagen im Jahr Veranstaltungen gehabt habe. „Der Stärkung der Innenstadt stehen immer Klagen der Bewohner gegenüber“, so Jäkel. Auch die Stadtspitze sah für eine komplette Sperrung Probleme, konnte sich aber temporäre Sperrungen an bestimmten Tagen vorstellen. Claus Tenambergen (gleichnamige Marketingagentur) fand viele Punkte gut, möchte aber den „sperrigen Begriff“ des Rahmenplans durch einen Agenda-Namen ersetzt sehen, „um in den Köpfen der Bürger etwas zu verändern“.

„Abfalleimer“

Aus Sicht von Carmelo Panuccio (Immo-Futuro) könnten die Möblierungselemente zu Konfliktpunkten werden, wenn sie als „Abfalleimer“ zweckentfremdet werden. Pflege und Reinigung würden zusätzliche Kosten verursachen. Der OB entgegnete, dass man leider nie vor Vandalismus geschützt sei. Stadtrat Gerhard Bucher (CSU) wünschte sich wie in der Vergangenheit Wasser als gestaltendes Element in der Innenstadt: „Das zieht Menschen an“. Carl sagte dazu, dass der einstige Stadtbach nicht mehr existiere und die Wassermengen am Crescentiaplatz und am Hirschkeller nur Rinnsale und zu gering seien.

Bosse machte abschließend deutlich, dass für die geplanten Vorhaben neben der Stadt auch andere Akteure mit im Boot sind. Das gelte beispielsweise mit der Bahn für den Bahnhofsbereich ebenso wie für private Eigentümer und Investoren im Bereich Mühlbachareal oder Afraberg. Beim Blasiusblick sei die Stadt für die Umsetzung „wild entschlossen“. Es werde Flexibilität erwartet und Kompromissfähigkeit verlangt. „Insgesamt glauben wir, dass wir der Lage derzeit gerecht werden“, so der Verwaltungschef.

Weiteres Vorgehen

Die Billigung des vorgestellten Abschlussberichtes mit Projektvorschlägen durch den Stadtrat ist für Dezember geplant. Ab Januar 2023 ist die Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen und öffentlicher Aufgabenträger bis März vorgesehen, bis dann ein endgültiger Stadtratsbeschluss die Umsetzung Maßnahmen einleiten könnte.

Lesen Sie dazu einen Kommentar von Wolfgang Becker:

Kreisverkehre erfreuen sich in Stadt und Land seit etlichen Jahren großer Beliebtheit. Ihre verkehrstechnischen Vorzüge sind unbestritten und auch Kauf­beuren hat einige zu bieten. Doch die Stadt hat auch einen besonderen Kreisverkehr, der in keiner Karte zu finden ist und dennoch einen Namen hat: „Rahmenplan Innenstadt“!

Anders als im Straßenverkehr hat der benannte Kreisel zwar viele Abzweigungen, doch die im Kreis auf der Innenbahn fahrenden Akteure können sich nicht entschließen, eine Ausfahrt zu nehmen. Das liegt daran, dass zwar Richtungen angezeigt werden, aber das Endziel nie richtig benannt wird. Wo will die Stadt hin? Aufenthaltsqualität in der Innenstadt geht nur mit einer deutlichen Verkehrsreduzierung sowohl des fließenden als auch des ruhenden Verkehrs. Wer will Spielinseln und Außengastronomie mit durchfahrenden Autos?

Warum eine probeweise Schließung der oberen Kaiser-Max-Straße ab Neptunbrunnen überhaupt nicht diskutiert wird, ist seltsam. Schon deshalb, weil der obere Teil schmaler ist und sechs Betriebe mit Außengastronomie aufweist. Auch die Anbindung der Sparkassenpassage wäre attraktiver. Über den breiteren unteren Teil kann nicht nur der Verkehr gut abfließen, hier sind die einzigen Geschäfte, die ein Anfahren mit dem Auto eventuell erforderlich machen. Zur Gestaltung mit Mobiliar nur soviel: Im Bereich Salzmarkt/Kaisergässchen gab es einmal ein herrliches Plätzchen mit alten Lampen; die jetzige Warenpräsentation in diesem Bereich erscheint dagegen gewöhnungsbedürftig. Und Wasser in kleinen Rinnsalen lässt sich sicher auch auffangen und gesteuert zum Abfließen bringen.

Befremdlich wirkte die Rolle des Innenstadtbeirates. Anscheinend wird das Gremium zwar zweimal im Jahr informiert, eine echte Beteiligung im Sinne eines Beirates scheint es nicht zu geben. So bleibt abzuwarten, ob die Entscheider mal Mut aufweisen und einen Abzweig aus dem Kreisverkehr nehmen – ansonsten fährt man nur im Kreis!

Auch interessant

Kommentare