Die Bitterkeit und der „Helle Horizont“ im Stadttheater

Von Jürgen Wischhöfer
Kaufbeuren – Schon zum zweiten Mal ermöglichte die Kulturförderung Kaufbeuren im Rahmen des Projektes „Respekt 02 – Frau!Leben!Freiheit“ eine Veranstaltung im Stadttheater. In den eineinhalbstündigen Darbietungen ging es um die Unterdrückung iranischer Frauen in der Vergangenheit und um die aktuelle Protestbewegung im Iran.
Ernst und sehr nachdenklich verfolgten die vorwiegend weiblichen Zuschauer im voll besetzten Stadttheater die acht literarischen Texte, die sich mit dem Leid und der Emanzipation der iranischen Frauen auseinandersetzten. Das Konzept von „Respekt 02“ wurde von Barbara Lackermeier erarbeitet, die zu Beginn die acht Schauspielerinnen der Theaterlandschaften und die exzellente musikalische Begleitung – Quergestreift, mit Maria und Rupert Schmauch sowie Erik Urbschat – vorstellte.
Mit der Geschichte der Scheherazade, der es in 1.000 und einer Nacht gelang, den Jungfrauen köpfenden iranischen Herrscher in einen handzahmen Ehemann zu wandeln, eröffnete Simone Dopfer den kulturellen Abend.
Zwischen Licht und Schatten bewegten sich die Lesungen von Sarah-Lavinia Schmidbauer und Maria-Florentina Schweiger. Bei der Lichterzählung ging es um eine Schar von Nachtfaltern und deren Ältestem, der das Geheimnis einer Kerzenflamme ergründen wollte. Zwei ausgesandte Falter vermochten das Geheimnis nicht zu lüften, weil sie die Flamme in zu großer Distanz umflogen. Ein dritter Nachtfalter stürzte sich todesmutig in die Flamme und mit seinem lichtreichen Verglühen ward das Geheimnis der Kerzenflamme für die Zurückgebliebenen entschlüsselt. Schatten und Dunkelheit verbreitete Maria-Florentina Schweiger mit einem dramatischen Text aus „Der König der Schwarzgewandeten“, der von einem Teheraner Leichensammler handelte.
Hidschab – Verschleierung und Abdeckung des weiblichen Gesichtes – ein Protokoll von Ekatarina Bodyagina und dem langen emanzipatorischen Weg einer iranischen Frau las Kathrin Zajicek. Angelica Pisch und ihre „Geschichte über das Kopftuch“ von Ava Homa gab an diesem Abend Einblicke in die geschichtliche Entwicklung der Kopfbedeckung im Iran.
In die raue Gegenwart der iranischen Machtpolitik holten Tamara Otparlik und Elena Fichtel die Zuschauer mit einem Brief der deutschen Schriftstellerin Shida Bazyar zurück, den diese an die am 16. September 2022 durch die iranische Polizei gewaltsam zu Tode gekommene Jina Mahsa Amini schrieb.
Am Ende des bewegenden und nachdenklich stimmenden Abends las Sarah-Lavinia Schmidbauer das Gedicht „Heller Horizont“ des iranischen Dichters Ahmad Schamlu, das den Wünschen des iranischen Volkes wohl sehr nahe kommt: „Eines Tages werden wir unsere Tauben wiederfinden und die Güte nimmt die Schönheit bei der Hand. Eines Tages, wenn wir den Tauben wieder Körner füttern. Diesen Tag sehn‘ ich herbei, selbst wenn ich an jenem Tag nicht mehr bin.“