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Stadtplanung: Kaufbeuren diskutiert sein Urbanes Leben – mehr Grün und Blau für die Innenstadt

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Von: Wolfgang Becker

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Spittelmühle Kaufbeuren 2023
Ungenutzt: Ein Experte hält die Spittelmühle als „zentrale Fläche“ für Wohnraum eher ungeeignet. Zwei sichtbare Wasseraustritte leiten Grundwasser in den Mühlbach. © Becker

Kaufbeuren – Die Diskussionen um eine zukünftige Entwicklung der Innenstadt gehen schon viele Jahre und haben in letzter Zeit Fahrt aufgenommen. Zumal der Stadtrat im März diesbezüglich strategische Entscheidungen fällen will. Um die bestehenden Gespräche zu dieser Thematik zu bereichern, hatte die SPD unter dem Format „Roter Salon“ jüngst zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Neben Kaufbeurens Baureferent Helge Carl waren Prof. Dr. Ing. Andrea Benze und Prof. Dr. Gerald Beck von der Hochschule München als Experten und Impulsgeber auf dem Podium. „Wir wollen eine Stadt für alle“, formulierte der Baureferent das Ziel.

Rund 60 Gäste aus Politik, Handel und verschiedenen Teilen der Stadtgesellschaft waren der Einladung in das Kolpinghaus gefolgt. Die zum zweiten Mal unter diesem Format stattfindende Veranstaltung sollte auch dazu dienen, die bestehende Sachlage und die aktuellen Pläne aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Während der Kaufbeurer Stadtrat Martin Valdés-Stauber (SPD, Lehrbeauftragter für Stadtsoziologie) als Moderator, Referent Carl und Prof. Beck als Kaufbeurer Bürger mit der Thematik intensiver vertraut waren, hatte Benze als in München ansässige Gesprächspartnerin eher den Blick von außen. In ihrer Begrüßung machte SPD-Fraktionschefin Catrin Riedl deutlich, dass der Stadtrat sich in der Vergangenheit „umfassend“ mit der Thematik „Innenstadt“ beschäftigt habe. Darunter auch mittels zweier Klausuren in zwei Jahren. Sie betonte, dabei noch nie ein „derartig konstruktives Miteinander“ erlebt zu haben. Der „Wille zur Gemeinsamkeit“ sei erkennbar gewesen und habe von „Denk- zu Handlungsprozessen“ geführt.

„Mehr Grün und Blau“

Auf die Frage nach der Funktion einer Innenstadt antwortete Beck als Professor für soziale Innovation und Organisationsentwicklung: „In einer Stadt passiert viel, sie wird gemacht und entwickelt sich nicht von alleine.“ Für seine Hochschulkollegin Benze war klar: „In einer Stadt kann sich jeder verwirklichen und entwickeln. Alle gehören zur Stadt.“ Und Referent Carl machte deutlich: „Es genügt nicht, Häuser zu bauen. Urbanes Leben findet zwischen den Häusern statt, daher muss mehr Grün und Blau also Grünfläche und Wasser hinein.“ In seinem Impulsvortrag stellte er die schon bekannten Projekte und geplanten Maßnahmen vor (wir berichteten mehrfach) und mit Blick auf Handel und Leerstände resümierte er: „Der Gang in die Innenstadt bedeutet nicht nur Einkauf, sondern auch Erleben.“

„Zentrale Fläche“

Beck sprach von „vielen kleinteiligen Zielen“, vermisste jedoch übergreifende Ziele und fragte: „Wie sehen Innenstädte zukünftig aus, welchen Handel brauchen wir, was müssen wir für den Erhalt der Versorgungsstruktur stärken?“ Er bezeichnete die Spittelmühle als „zentrale Fläche“ und sah eine Nutzung als Wohnraum eher fragwürdig, wofür er Beifall erntete. Besonderes Potenzial biete der Jordanpark, der einst von der Zivilgesellschaft erschaffen worden wäre. Diese solle als Akteur tätig werden.

Laut Benze dürfe es beim Denkmalschutz kein „starres Bild“ geben, es sei besser beim Renovieren mehr zuzulassen, was auch Carl so sah: „Ein genutztes Denkmal ist besser als Leerstand!“ Für die Professorin war es zudem erstaunlich, dass eine „so schöne Stadt so leer steht“: „Es wird etwas verändert, aber innen bleibt alles.“ Einen ähnlichen Eindruck hatte auch der Heimatvereinsvorsitzende Dr. Ulrich Klinkert. „Die Handlungen der Stadt beziehen sich auf den Randbereich, man spart innen aus und der Kern verschwindet“, so seine Befürchtung.

„Wir haben eine so schöne Innenstadt“, so Unternehmer Bernd Fuhrmann, „aber mir fehlt das Leben in der Bude. Es muss einmal im Monat in der Stadt etwas stattfinden.“ Das sah eine Bürgerin anders: „Events sind schön, aber den Alltag besser und lebendig zu gestalten, wäre sinnvoller“, wofür sie Beifall erhielt. Benze fand zwar zwei Veranstaltungen pro Jahr zu wenig, konnte aber auch den Wunsch nach Verbesserungen im Alltagsleben nachvollziehen.

Beim Thema „Verkehr“ trafen die bekannten Standpunkte aufeinander. Während der Handel nach wie vor bei einer Reduzierung des Fahrzeugverkehrs massive Einbrüche befürchtet, wird von anderen die mangelnde Aufenthaltsqualität bemängelt und mehr Einfluss durch die Stadt gewünscht: „Die Autos fahren doch bis an die Blumeninseln mit Sitzbänken.“ Benze unterstützte diesen Punkt und fragte: „Warum muss ich reinfahren können?“ Das Kaufbeurer Urgestein Christa Berge beklagte das Pflaster in der Innenstadt: „Es ist keine Freude für Menschen mit Rollstuhl oder Gehhilfe, in der Stadt unterwegs zu sein.“ Carl versicherte, dass der schon an der Münzhalde begonnene Austausch des Pflasters fortgeführt werde. Er sprach von einem ständigen Prozess, der alle paar Jahre justiert werden müsse und bezeichnete den Abend als „Perle in einer langen Kette“. Die Bürgerschaft solle auch Mut zum Risiko haben.

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