Auch die Verkehrsministerin bestätigt, viel für das Klima zu bewegen, denn laut Schreyer stammen allein 19 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland aus dem Verkehrsbereich. „Ich werde bis Ende des Jahres einen landesweiten Fahrplan für die Dekarbonisierung (also die Abkehr vom Kohlenstoff, Anm. d. Red.) des Schienenpersonennahverkehrs im Freistaat vorlegen“, wird die Ministerin konkret. Der erste mehrmonatige Testbetrieb in Bayern, allerdings mit einem Akku-Hybrid-Zug ist bereits für das kommende Jahr auf der Fränkischen Seenlandbahn geplant. Im Allgäu soll ab dem Jahr 2023 ein fast dreijähriger Testbetrieb mit dem Prototyp eines reinen Wasserstoff-Triebfahrzeugs der Firma Siemens erfolgen.
„Alles Wahlkampfgetöse“, schreibt der Fahrgastverband Pro Bahn und wirft den CSU-Politikern vor, sich vor einem Zug fotografieren zu lassen, der allenfalls auf Nebenstrecken zum Einsatz kommt, anstatt tatsächlich die Hindernisse der Verkehrswende aus dem Weg zu räumen. Timm Kretschmar, Mitglied im bayerischen Landesvorstand von Pro Bahn nimmt kein Blatt vor den Mund, als er erklärt: „Jeder halbwegs mit dem Thema befassten Person ist klar, dass der Wasserstoffantrieb im Bahnverkehr maximal für den Einsatz auf wenigen entlegenen Nebenstrecken geeignet ist. Weder können die Züge die erforderliche Leistung auf Hauptstrecken abrufen, noch sind sie im Ansatz wirtschaftlich gegenüber den beiden verfügbaren Alternativen Elektrifizierung und Akkutriebwagen und deren Kombination.“ Der Verband bezweifelt, dass für die Allgäuer Teststrecke ein Wasserstoffzug die wirtschaftlichste Lösung sein werde. Für die Strecke von Lindau über Kempten nach Buchloe komme langfristig nur die Elektrifizierung in Betracht.
Dr. Lukas Iffländer, der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende von Pro Bahn meint ebenso unverblümt: „Bei der Aktion handelt es sich um PR im Wahlkampf und nicht um den Einstieg in eine echte Verkehrswende.“ Und Kretschmar ergänzt: „Sich jetzt aus heiterem Himmel vor einem Wasserstoffzug fotografieren zu lassen, ist nicht sonderlich glaubwürdig.“ Der Fahrgastverband fordert von Bund und Land die Elektrifizierung aller Hauptstrecken, auf denen mindestens zwei Züge pro Stunde verkehren. Nur so werde eine ausreichende Wirtschaftlichkeit erreicht.
Der Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke, der die Probefahrt im Allgäu in Gesprächen mit Alstom initiierte, hält dagegen: „Unser Ziel ist es, im Allgäu einen attraktiveren Schienenpersonennahverkehr zu schaffen, der schneller, leiser und klimaneutral ist. Deshalb müssen wir uns möglichst rasch vom Diesel verabschieden. Hinzu kommt, dass durch die Elektrifizierung der Strecke München-Memmingen-Lindau die Direktverbindungen aus dem Allgäu nach München deutlich reduziert wurden. Diese Situation muss sich für die Pendler verbessern. Beim Abschied vom Diesel im Schienenpersonennahverkehr gibt es mehrere umweltfreundliche technische Optionen. Eine davon könnte ein Wasserstoffzug sein. Ob der Wasserstoffzug die für das Allgäu vorzugswürdige Option ist, bedarf einer intensiven Betrachtung.“
Aus Strackes Sicht sei die Vollelektrifizierung des Allgäus klar vorzugswürdig. Allerdings sei der Einsatz eines Akku-Hybrid-Zuges auf den Strecken Augsburg-Füssen und Augsburg/München über Buchloe-Kaufbeuren-Kempten-Hergatz eine immerhin taugliche Zwischenlösung, wie der Abgeordnete sagte, wenn eine Vollelektrifizierung nur schrittweise möglich ist. „Auf diese Weise hätten wir den Fuß in der Tür für die Vollelektrifizierung und könnten neue Insellösungen vermeiden.“