Gefolgt wurde das Werk von Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert Nr. 20, d-moll, (KV 466), das als erstes sinfonisches Klavierkonzert und auch in seiner Konstruktion als wegweisend gilt. Nachdem das Orchester eine unruhige, dramatische Stimmung kreierte, setzt das virtuose Klavierspiel des Münchener Pianisten und Solisten des Abends Julian Riem ein. Gekonnt führte er seine Hörerschaft durch das spannungsgetragene Werk im Wechsel von Düsternis, Drama und schließlich Versöhnung.
Nein, der Abend blieb nicht im Bekannten stecken. Neben der Dirigentin Mary Ellen Kitchens stand eine zweite bedeutende Musikerin im Rampenlicht: die Komponistin Ellen Taaffe Zwilich. Ihr Concerto Grosso (1985), ein fünfsätziges emotional kraftvolles Werk, schlug noch einmal den Bogen zu Händel. Es ist ein Auftragswerk der Washington Friends of Händel und entstand anlässlich des 300. Geburtstages des Komponisten. Es greift das Thema von Händels Violinsonate D-Dur (HWV 371) mehrfach auf und spielt damit auf ungewöhnliche und ruppige Weise.
Sehr bemerkenswert, wie Dirigentin Mary Ellen Kitchens, sich des unkonventionellen Hörerlebnisses bewusst, ihrem Publikum klug eine Brücke baut. Sie studiert den gebrochenen Dreiklang, der im Werk immer wieder auftaucht, mit dem Publikum ein und gibt ihm damit einen roten Faden an die Hand, der durch Zwilichs Concerto Grosso leitet. Es sei nicht selbstverständlich, dass der Orchesterverein ein derartiges Stück auf die Bühne bringt, so Kitchens Worte. Kraft und Leidenschaft, das war auch beim letzten Programmpunkt Thema. Josef Haydns Ouvertüre zu seiner Oper „L´animo del filosofo”, die letzte seiner dreizehn Opern, setzte einen satten und beschwingten Schlusspunkt im Programm.
Applaus, Applaus, so viel das buntgemischte Publikum im halbvollen Stadttheater geben konnte. Mehr Zuhörer und Zuhörerinnen hätte man den engagierten Künstlern und Künstlerinnen schon gewünscht. Gibt es da vielleicht Kanäle, die noch intensiver angezapft werden können, um die Hörerschaft zu vergrößern?
Es reichte jedoch allemal für eine Zugabe, die noch einmal anders bewegen sollte und eines aufzeigte: Nichts ist dieser Tage unpolitisch. Zur Dirigentin auf der Bühne trat eine junge Frau. Gemeinsam verlasen beide auf Deutsch und Ukrainisch eine kleine Ansprache: Demnach waren geflüchtete Menschen aus der Ukraine im Publikum und es sei an die Orchestervereine herangetragen worden, an die politische Situation im Osten Europas zu erinnern.
Das getragen-melancholische Zugabe-Stück des in seiner Heimat beliebten ukrainischen Komponisten Myroslaw Skoryk „Melodie“ konnte das zuvor Gesagte kaum besser untermalen. So endete dieser Abend nachdenklich. Angemessen für diese Zeit, dennoch getragen von einer ohnmächtigen Sehnsucht nach einem Narrativ, das eine Option auf Frieden enthält. Und dann wieder Jahreszeitenwechsel: Raus dem Frühjahrskonzert und rein in die Winterjacke. Alles ist im Fluss.
StK