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»Zuerst geht die Kuh, dann der Tourist«

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Ilse Aigner, Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologien, und Franz-Josef Pschierer, Staatssekretär im selbigen Ministerium beantworteten bei den „Alpengesprächen“ viele Fragen der Besucher. © Spielberg

Kempten – Am Wochenende machte das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologien mit seiner Gesprächsrunde „Alpengespräche“ Station in Kempten. In das THEaterOben im TheaterInKempten hatte das Staatsministerium zu einem offenen Bürgergespräch geladen. Erschienen waren neben dem Staatssekretär des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologien Franz-Josef Pschierer auch dessen unmittelbare Vorgesetzte, die Bayerische Staatsministerin Ilse Aigner.

„Wir sind hier um Ihre Meinung, Ihre Wünsche und Begehren anzuhören“, so begrüßte Ilse Aigner die rund 150 Gäste der Veranstaltung. Moderiert wurden die Alpengespräche von BR-Moderator Tilmann Schöberl. Schöberl ist unter anderem durch die Sendung „Jetzt red i!“ vielen Fernsehzuschauern bekannt.

In ihrer Begrüßungsansprache beschrieb Aigner das Allgäu als eine Landschaft, „…die einem aus München kommend, fast als Paradies erscheinen mag.“ Aigner verwies in diesem Zusammenhang auf die exzellenten Wirtschaftsdaten des Allgäus. Nahezu Vollbeschäftigung, sehr viele Menschen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen und eine Landschaft mit hohem Erholungswert. Aber selbst beim Klassenprimus gibt es Ansätze zu negativen Entwicklungen, „…die erkannt und aufgegriffen werden müssen.“ Insbesondere die Lage der Landwirte gibt Aigner zufolge Anlass zu Sorge. Ein steter Preisverfall und aktuell fehlende Absatzmärkte wie Russland, führen bei vielen kleinen Betrieben zu existentieller Not.

„Wir dürfen keine Museumslandwirtschaft zulassen“, attestiert ihr Staatssekretär Pschierer und stellt das Zitat in den Raum: „Zuerst geht die Kuh, dann der Tourist. Wer soll dann noch gemolken werden?“ Pschierer hob die Bedeutung der hiesigen Landwirtschaft als Former der Allgäuer Kulturlandschaft hervor. Aigner griff ein weiteres Problem auf: Es sei leider zu beobachten, dass zwar viele junge Menschen im Allgäu hervorragend ausgebildet würden, diese aufgrund höherer Vergütungsangebote danach leider aber oft in Großstädte abwandern. Gleichzeitig steige in der Region der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung.

Im Tourismus mahnte die Bayerische Staatsministerin sich nicht von Mitbewerbern wie Österreich abhängen zu lassen. Aigner plädiert für die Modernisierung bestehender Skiliftanlagen und eine Ausstattung der bayerischen Skigebiete mit Beschneiungsanlagen. Hierdurch könnten lange Anfahrten der Wintersportler und somit ein höherer CO2-Ausstoß vermieden werden. „Das Wasser zum Betrieb von Beschneiungsanlagen im Freistaat wird aus dem unmittelbaren Umfeld der Pisten abgeschöpft. Schmilzt dieses, wird es dem natürlichen Kreislauf wieder zugeführt“, bemerkte hierzu Augustin Kröll, der im Publikum anwesende Geschäftsführer der Oberstdorfer Bergbahnen. Aigner und Pschierer wiesen darauf hin, dass nur die Bergbahnen unterstützt würden, die sowohl im Sommer- wie Winterbetrieb laufen würden. Neuanlagen werden nicht gefördert.

Die Ministerin machte sich zugleich stark für das Handwerk mit seinen vielen Kleinbetrieben, denen oftmals die Möglichkeit fehle, sich an ihrem bestehenden Standort räumlich auszuweiten. „Wir müssen diesen kleinen Betrieben vor Ort die Möglichkeit bieten, sich räumlich zu vergrößern, damit weiterhin ein gesundes betriebliches Wachstum gewährleistet ist“, so Aigner. Zuvor hatte sie und Pschierer der Vorsitzende der Kreishandwerkerschaft Oberallgäu, Ulrich Kennerknecht, zur Reform des kommunalen Vergaberechts bei Auftragsausschreibungen an ortsansässige Handwerksbetriebe befragt.

Ein weiteres Thema des Nachmittages war die Entwicklung der Wirtschaft hin zur Digitalisierung der Arbeitswelt, Stichwort Wirtschaft 4.0. Hier mahnten anwesende Vertreter der IHK und der Wirtschaft in diesem Bereich nicht den Anschluss zu verlieren und unter anderem den Ausbau von Breitbandnetze zu forcieren. Auch die Industrie sei in einer reizvollen Kultur- und Naturlandschaft wie dem Allgäu von großer Bedeutung, sei es im Bereich des Anlagen- und Maschinenbaus, des Fahrzeugbaus, der Lebensmittelindustrie und nicht zuletzt wegen der Schaffung vieler Arbeitsplätze für die Region.

Eine Mehrheit der anwesenden Gäste nahm die Gelegenheit wahr, Fragen an Aigner und Pschierer zu stellen. Angesprochen wurden unter anderem die Bereiche Tourismus, Naturschutz, Landwirtschaft, Ausbildung und Bürokratieabbau. „Tradition und Fortschritt“ in Einklang zu bringen, dass sei die Herausforderung der Zukunft, so Aigner. Pschierer fügte hinzu: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

Jörg Spielberg

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