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Auftaktveranstaltung »Bündnis klimaneutrales Allgäu 2030« im Gründerzentrum Allgäu Digital

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Schirmherr Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (li.), Thomas Kiechle, Oberbürgermeister der Stadt Kempten (2.v.li.), Franz -Josef Radermacher, Professor für Informatik an der Universität Ulm und Leiter des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (3.v.li.) und Martin Sambale, Geschäftsführer der Eza (4.v.li.) setzen auf „Vermeiden – Reduzieren – Kompensation“, mit dem Ziel, als erste Stadt in Bayern klimaneutral zu sein. © Reder

Kempten – Die Stadt Kempten und das Allgäu wollen schrittweise bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden und damit eine Vorreiterrolle in Deutschland übernehmen.

Am Montagnachmittag hatte das Energie- und Umweltzentrum Allgäu (Eza) ins Gründerzentrum Allgäu Digital zur Auftaktveranstaltung für das Projekt „Bündnis klimaneutrales Allgäu 2030“ eingeladen. Über 120 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik waren der Einladung gefolgt. Die Resonanz war so groß, sagte Martin Sambale, Geschäftsführer der Eza, in seiner Begrüßung, dass im Vorfeld bereits 60 Interessierten mangels Platz abgesagt werden musste. Darüber hinaus hätten sich 20 Firmen und Organisationen schon vor dem offiziellen Startschuss als Mitglieder eintragen lassen.

Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle, unterstrich in seinem Grußwort das gemeinsame Anliegen zu mehr Umweltund Klimaschutz. So sei die Verantwortung für Region und Heimat tief verwurzelt. Dies spiegle sich auch in den seit Jahren in Kempten aktiv durchgeführten Klimaschutzaktivitäten wider, die durch Demonstrationen unterschiedlicher Initiativen eine neue Dynamik bekommen hätten. Kiechle hoffe, dass der Funke für eine Beteiligung am Bündnis klimaneutrales Allgäu 2030 auf möglichst viele überspringe. „Handeln und nicht nur reden“ forderte Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der die Schirmherrschaft für das Bündnis übernommen hat. Klima- und Umweltschutz sei eine Überlebensfrage der Menschheit. Für ihn darf sich Entwicklung und Klimaschutz nicht widersprechen. 

Ehrgeiziges Ziel

 „Die Stadt Kempten wird die erste klimaneutrale Stadt in Bayern werden“, erklärte der Bundesminister. Ein ehrgeiziges Ziel, dass in den nächsten zehn Jahren durch eine schrittweise Reduzierung der CO2-Emissionen erreicht werden soll. Zunächst durch mehr Energieeffizienz und dem stärkeren Einsatz von erneuerbaren Energien. Gemeinsames Handeln sei notwendig, betonte Müller, angefangen beim eigenen Lebensstil über Konsumverhalten bis hin zur CO2-Vermeidung in der Wirtschaft. „Vermeiden und Reduzieren“, erklärte der Bundesminister sei ein erster Schritt in Richtung Klima-Allianz. Bereits jetzt gebe es Unternehmen, die zeigen, dass Klimaneutralität möglich sei. Doch eine Reduzierung auf Null des Ausstoßes des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids (CO) sei nahezu unmöglich, führte Müller aus. Die Lösung sei, Restemissionen durch hochwertige zertifizierte Projekte zu kompensieren, die entsprechend CO2 einsparen. 

So gebe es wirkungsvolle Möglichkeiten der Entwicklungsförderung in den armen Regionen der Welt, die die Leidtragenden des von uns verursachten Klimawandels seien. „Kompensationsprojekte können helfen, die Lebens- und Arbeitssituation vieler Menschen dort vor Ort zu verbessern und ein nachhaltiges Handeln und Wirtschaften zu ermöglichen, beispielsweise durch Aufforstung, Trinkwasserbrunnen oder Solarkocher“, sagte der Entwicklungsminister. Ziel sei, dass die Entwicklungsländer fossile Brennstoffe nicht nutzen, sondern direkt in erneuerbare Energien einsteigen. „Dafür braucht es unser Knowhow und unser Kapital“, erklärte Müller. 

Regionale Projekte notwendig
Zudem seien zusätzlich regionale Projekte notwendig, wie etwa die Verwendung von Pflanzenkohle oder die Renaturierung von Mooren, so Sebastian Hartmann, Projektleiter von Eza. Eine weitere Zukunftsenergiequelle sieht Müller für das Allgäu in der Nutzung von Wasserstoff. So könne beispielsweise lokal produzierter synthetischer Wasserstoff zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen im Dieselzugverkehr im Allgäu beitragen. „Städte, Unternehmen, jeder kann sich klimaneutral stellen und dazu gibt es heute das Startsignal.“ Überraschungsgast Franz-Josef Radermacher, Professor für Informatik an der Universität Ulm und Leiter des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, sieht Lösungsansätze in der Technik, etwa im Bereich Heizen oder in der Mobilität durch Verwendung von klimaneutralem Heizöl bzw. Benzin. 

Zudem müsse der Bau von Kohlekraftwerken in Afrika durch Technologietransfer vermieden werden. „Afrika soll nicht der ‚schwarze‘ Kontinent werden.“ Die Beweggründe für die Gründung des „Bündnis klimaneutrales Allgäu 2030“ erklärte Sambale. Ansteigende Meeresspiegel und die kontinuierliche Zunahme des Kohlenstoffdioxid-Gehalts in der Atmosphäre belegten unumstritten den Klimawandel. Grönland verliere massiv an Eis, zwischen 2002 und 2016 280 Millionen Tonnen Eis pro Jahr. Wasser nehme die Sonnenstrahlung auf, ohne es wie Eis zu reflektieren. Die damit einhergehende Erwärmung des Meerwassers beschleunige den Klimawandel und dies sei nicht mehr umkehrbar. Man spreche in diesem Zusammenhang auch von Kippelementen. Im Leitbild für das Allgäu wird laut Sambale eine Reduktion der CO2-Einsparungen um 95 Prozent bis 2050 angestrebt. Doch es müsse mehr geschehen und schneller, appellierte er. Die Schlagwörter seien „Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren“. Die teilnehmenden Unternehmen, Kommunen und Institutionen des Bündnisses verpflichten sich, schrittweise bis spätestens zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden.

Unternehmen mit klimaneutralen Zielen
Unternehmen wie etwa Bosch und Daimler haben sich bereits klimaneutrale Ziele bis 2020 oder 2030 gesetzt. Und auch die Bayerische Staatsregierung strebt für 2030 die Klimaneutralität an. Die anschließende Podiumsdiskussion lieferte Einblicke in bereits erfolgreich umgesetzte Klimaschutzmaßnahmen. Einige Vertreter der 26 Unternehmen, die zu den Gründungsmitgliedern des Bündnisses klimaneutrales Allgäu 2030 zählen, stellten ihre Veränderungen vor. Dietmar Wolz, Inhaber der Bahnhof-Apotheke, erzählte von seiner ersten Datenzusammenstellung. Sie habe ihm gezeigt, dass die kleine Kita und die Mitarbeiter-Mobilität in seinem Unternehmen einen großen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Damit sei für ihn klar gewesen, dass er daran etwas ändern müsse. Für Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor Füssen, ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. 

Nachhaltigkeit sei ein fester Bestandteil in der DNA des Allgäuers, meinte er. Für ihn gebe es Projekte für mehr Klimaverträglichkeit, ohne große Investitionen. Er setzt auf Regionalität. Der Autozulieferer Swoboda möchte Impulsgeber und Vorbild sein. So habe das Unternehmen bereits seit Jahren ein Energiemanagement, erzählte Geschäftsführer Nikolaus Pfister. Und eine Photovoltaikanlage in Wiggensbach sei für dieses Jahr geplant. Die alten Ölheizungen sollen durch moderne Heizungssysteme ersetzt und auf Erdgas umgestellt werden. Als Pionier auf dem Gebiet Klimaneutralität gilt Andreas Eggensberger vom gleichnamigen Biohotel. Er setzt auf Ökologie, E-Mobilität, Wärmerückgewinnung und 100 Prozent zertifizierte Wasserkraft. Und das hauseigene Blockheizkraftwerk erzeuge Strom und Wärme aus Biogas, das aus landwirtschaftlichen Abfällen und Speisereste gewonnen werde. Durch diese Maßnahmen, so der Hotelier, sei es ihm möglich gewesen, Klimaneutralität mit einer ausgeglichenen CO2-Bilanz zu erreichen.

Christine Reder

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