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Berauschend

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Einen bezaubernden Klavierabend bescherte Anna Vinnitskaya den rund 150 Zuhörern im Fürstensaal der Residenz. Neben dem Programm von Brahms und Mussorgsky spielte die junge, in Russland gebürtige Pianistin auch eine Zugabe aus Tschaikowsky’s Jahreszeiten.

Die f-Moll-Sonate von Brahms markierte nicht nur den Höhepunkt zum Abschluss der pianistischen Entwicklung des Komponisten, sondern auch zahlreiche Highlights im Konzert Anna Vinnitskayas. Die Sonate eröffnete mit einem stürmischen Satz von beträchtlichem Ausmaß, dessen Emotionen von den impulsiven Körperbewegungen und der ausdrucksvollen Mimik der Künstlerin widergespiegelt werden. Im folgenden ausgedehnten Andante, einem der schönsten langsamen Sätze der romantischen Klavierliteratur, erfährt man das Motto der Sonate: „Der Abend dämmert, das Mondlicht scheint/Da sind zwei Herzen in Liebe vereint/Und halten sich selig umfangen.“ Anna Vinnitskayas Finger scheinen nur so über die Tasten zu streicheln, die Musik vermittelt einen Zustand der inneren Ruhe, des Glücks und der Zufriedenheit. Ein sehr kraftvolles, schnelles, teilweise sich überschlagendes Scherzo bildet den Übergang zum Intermezzo und trennt die zwei Teile rigoros. Die eher melancholischen Töne scheinen sich wehmütig an die Liebessehnsucht zu erinnern, das „moll“ der Sonate kommt deutlich zum Vorschein. Das energiegeladene Finale beseitigt schließlich die Zweifel des vorangegangenen Satzes. Im zweiten Teil des Klavierabends zaubert die Pianistin das ganze Publikum in eine Ausstellung, und schreitet mit ihm von Bild zu Bild. Die „Bilder einer Ausstellung“, ein Werk von Mussorgsky, sind so plastisch überliefert, dass man glaubt, sie sehen zu können. Anna Vinnitskaya erzählt mit ihren Händen die unterschiedlichen Geschichten der Bilder und man hat das Gefühl, dass es sich nicht um zehn, sondern weit mehr Finger handelt, die den Steinway überfliegen. Unfassbare Leistung Vor dem inneren Auge erkennt der Zuhörer den „Gnomus“, der durchs Bild huscht genauso wie „Das alte Schloss“ in seinen wuchtigen Gemäuern oder die lieblichen „Tuillerien“. Die Künstlerin geht vollständig in ihrer Musik auf, sie lebt die Töne der acht Oktaven von C2 bis c5, und die Klaviatur gehorcht ihr ohne weiteres. Mit einer Zugabe von Tschaikowsky bedankt sich Anna Vinnitskaya für den ausgiebigen Applaus angesichts der schier unfassbaren Leistung der 27-Jährigen. Ihren ersten Musikunterricht bekam sie bereits mit sechs Jahren, studierte dann im Sergej-Rachmaninov-Konservatorium in Russland, und seit Oktober 2001 an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sie ist Preisträgerin des „Leonard Bernstein Awards“ 2008 des Schleswig-Holstein-Musik- Festivals und Gewinnerin des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs 2007 in Brüssel. Vinnitskaya spielte bereits bei verschiedensten Festivals und gab zahlreiche Solo-Rezitale auf der ganzen Welt. Außerdem arbeitet sie immer wieder mit renommierten Orchestern und berühmten Dirigenten zusammen, darunter zum Beispiel das Belgische National-Orchester. Der Klavierabend war für manch einen sicher ein Anlass, um sich auf das 5. Festival der Kammermusik in der Kemptener Residenz einzustimmen, das dieses Jahr vom 15. bis 19. September stattfindet, denn im Fokus steht dabei diesmal die Kammermusik Russlands.

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