Eigene Theorien

Kempten – Die drei „Wellküren“ Moni, Bärbi und Burgi, dazu Stofferl und Michael Well von der „Biermösl Blosn“ mit Bruder Karl statt Hans, ergeben die Geschwister Well.
Und die sorgten für einen kracherd-bissigen Abend mit ihrem von Franz Wittenbrink für die Münchner Kammerspiele arrangierten Musikkabarett „Fein sein, beieinander bleibn“ im nahezu ausverkauften Stadttheater. Zwar räumten sie ein, dass man nach so vielen Jahren seine „Feindbilder wiedermal überdenken“ müsse. Die CSU jedenfalls rangierte auf der Hitliste nach wie vor weit oben und auch lokalpolitisch zeigten sich die sechs Geschwister der insgesamt 17-köpfigen Familie aus Günzelhofen zwischen Augsburg und München gut informiert. Nicht nur die OB-Kandidaten bekamen ihr Fett weg, auch zum „großen Loch” hatten sie ihre eigene Theorie: „Da hat a Memminger a Zehnerl verlorn und graben, dass er’s wiederfind“. Immerhin brauche man sich vor dem Sturm „Xaver“ nicht zu fürchten, da man im Falle einer Sturmflut ja ein „gutes Auffangbecken“ habe, frotzelten sie.
Breites Spektrum
Noch beeindruckender als die in bayerisch-direkter Manier vorgebrachten Klatschen für Politiker wie Markus Söder, der als „fränkischer Abszess“ auftauchte, war das musikalische Spektrum der sechs Geschwister. Sie sangen, jodelten, schuhplattelten, zofften und versöhnten sich während sie die Instrumente wechselten, dass man mit zählen nicht mehr nachkam. Allein die Palette an Blasinstrumenten, dazu Harfen, Hackbrett, Ukulelen, nicht zu vergessen die Alphörner, der Dudelsack und viele mehr. Nicht ganz alltäglich die Instrumentierung von Bizets „Carmen“, das von den Herren mit vielsagendem Lächeln im Gesicht auf Brummtöpfen mit einem pikant herausragenden Kochlöffel gespielt wurde, während die Schwestern auf Nonnentrompeten im Einsatz waren. Ungewöhnlich sicher auch der AC/DC-Hit „Highway to hell“, bei dem am Ende der Höllenqualm aus dem von Moni heißgespielten Hackbrett steigt – schließlich war es ja eine bayerische Fassung. Oder wo bekommt man schon Ravels „Bolero“ auf zwei Harfen, Akkordeon, Hackbrett, Tuba, Klarinette, Trompete, Geige, Cello... zu hören als bei den Wells?
Viel zu lernen
Einen besonderen Akzent setzte Stofferl als Gangster-Rapper in Strickmütze und tiefer gezogener Lederhose mit seinem Milligeld-Rap „40 Cent“. Kunterbunt wurde es im Medley „Andachtsjodler“, bei dem drei Alphörner kurzerhand auf Schultern in den vorderen Zuschauerreihen abgelegt wurden. Da tanzte der „Bibabutzemann“ harmonisch neben „Yellow Submarine“ von den Beatles, Beethovens „Ode an die Freiheit“ oder „We will Rock You“ von Queen. Virtuosität bewies nicht nur Stofferl auf seiner Trompete, zum Beispiel als er sich von einer Wagner-Mendelssohn-Kombi – „wir bringen Wagner und Mendelssohn zusammen“, obwohl der eine vom anderen gemeint habe, dass er aus genetischen Gründen nicht komponieren könne – in ein nimmer endendes Solo verstieg und den Einsatz seiner Geschwister in die Warteschleife verwies. Aber auch über das Leben in einer Großfamilie konnte man manches lernen. Zum Beispiel anhand der Geschichte mit dem Schürhaken, der dereinst im Gesicht des damals dreijährigen Stofferl landete. Sechs Geschwister, sechs Versionen der Geschichte. Zwei Zugaben und lautstarke Begeisterung des Publikums standen jedenfalls am Ende des Abends, den der Kleinkunstverein Klecks zu seinem 30-jährigen Bestehen organisiert hatte.
Christine Tröger