Kempten zum Anfassen

„Kempten bekommt goldene Dächer!“ So verheißt es zumindest der Künstler und Objektdesigner Egbert Broerken aus dem westfälischen Soest, der vom Lions Club Kempten Allgäu vor zwei Jahren beauftragt wurde, ein Stadtmodell der Allgäu-Metropole aus Bronze anzufertigen. Nach einer künstlerischen Schaffenszeit von rund zehn Monaten konnte das Stadtrelief jetzt, pünktlich zum Beginn der 63. Allgäuer Festwoche, am Zumsteinhaus zum ersten Mal von der Öffentlichkeit bestaunt werden.
Das Modell, hergestellt im Wachsausschmelzverfahren, misst 1,20 Meter auf 2,30 Meter und ist ein wahrer Hingucker. Wahrscheinlich, und dies ist vom Künstler beabsichtigt, wird es nicht beim reinen Hinschauen bleiben, denn fast jeder, ob jung oder alt, wird dieses Stadtmodell anfassen und sich auf diese Weise Kempten „fühlend, sehend und begreifend“ nähern wollen. Die Idee Stadtreliefs auf diese Weise zu erschaffen kam dem Künstler vor einigen Jahren, als er feststellen musste, dass es den blinden Kindern einer Augenklinik seiner Heimatstadt verwehrt blieb, auf irgendeine Weise die Stadt sinnlich zu erfahren. So dachte sich Broerken, wenn die Kinder schon nicht sehend das Antlitz von Soest mit seinem großen Dom erfahren konnten, so sollten sie doch die Stadt mit ihren Gebäuden, Dimensionen und ihrer Topographie händisch ertasten können. Er machte sich daran ein Modell der Hansestadt aus Bronze zu erschaffen und sein Werk überzeugte fortan nicht nur die blinden Kindern der Augenklinik. Schnell wurde er überhäuft mit Anfragen aus ganz Deutschland. So gibt es neben München und Hamburg noch ca. 70 weitere Städte, die sich ihre Stadt-Topographie en miniature so in Bronze haben gießen lassen. Davon hörte auch der Lions Club Kempten und beschloss, dass Ehrensenator Dr. Karl Schwiegelshohn sich mit dem Künstler zwecks Umsetzung eines Kemptener Modells in Verbindung setzen sollte. Geplant war, das fertige Stadtmodell der Stadt als Geschenk zu übergeben. Gemeinsam mit dem Künstler entstand die Idee ein Modell im Maßstab von ungefähr 1:800 aus der Zeit von 1832 zu erschaffen, das Kemptens historische Trennung in eine Residenzstadt und eine freie Reichsstadt dem Betrachter näher bringen sollte. Prof. Dr. Robert F. Schmidt, ehemaliger Präsident der Lions Kempten und Präsident der Hochschule Kempten, brachte es in seiner Dankesrede anlässlich der feierlichen Übergabe der Bronzeplastik an Kemptens OB Dr. Ulrich Netzer (CSU) humorvoll auf den Punkt: Wann immer er den Kontakt zum Büro des Oberbürgermeisters suchte, dachte man dort, es ginge um Zuschüsse an die Hochschule, nicht aber darum, dass der Lions Club Kempten der Allgäu-Metrolpole ein solch wertiges und zeitloses Geschenk machen würde. Umso erstaunter und erfreuter zeigte sich OB Netzer über solch frohe Kunde und wartete seit diesem Gespräch neugierig und freudig auf den Tag der Übergabe. Hierzu fand er sich neben den anderen Festrednern wie Lions-Präsident Bernhard Jäger auf dem Podium am Residenzplatz ein. In seiner Ansprache bedankte sich das Stadtoberhaupt bei den vielen anwesenden Mitgliedern des Lions Club Allgäu für deren Spendenbereitschaft und das einzigartige Geschenk an die Stadt Kempten, das, so der OB, „sicherlich ein weiterer Hingucker und touristische Attraktion in Kempten werden wird“. Eines sei sicher, schon in Bälde werden die Kinder von Nah und Fern das Stadtrelief für sich in Beschlag nehmen und Kempten so fühlend und sehend erfahren, ganz so, wie es sich die Verantwortlichen des Lions Club Kempten und der Künstler selbst vorgestellt haben. Zudem ist das Modell für Seh- behinderte mit einer punktierten Blindenschrift versehen.