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Kempten: Wie verarbeitet man Trauer?

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Von: Sabine Stodal

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von links.: Birgit Prestel (Leitende Koordinatorin beim Hospizverein Kempten-Oberallgäu e.V.) und ihre Kollegin Sandra Bär (Koordinatorin, Leitung Trauerarbeit) mit der Referentin Dr. Ruthmarijke Smeding und dem Vorstandsvorsitzenden des Hospizverein Kempten-Oberallgäu e.V., Josef Mayr.
v.li.: Birgit Prestel (Leitende Koordinatorin beim Hospizverein Kempten-Oberallgäu e.V.) und ihre Kollegin Sandra Bär (Koordinatorin, Leitung Trauerarbeit) mit der Referentin Dr. Ruthmarijke Smeding und dem Vorstandsvorsitzenden des Hospizverein Kempten-Oberallgäu e.V., Josef Mayr. © Stodal

Kempten - Die Trauerforscherin Dr. Ruthmarijke Smeding hielt einen Vortrag im vollbesetzten Pfarrsaal St. Michael.

Der Tod gehört zum Leben dazu, das wissen wir alle. Trotzdem ist es schwer, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Der Hospizverein Kempten-Oberallgäu e.V. nimmt sich trauernder Menschen an. Gerade schlossen 15 Ehrenamtliche ihre Ausbildung als Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter ab. Ein Grundstein dieser Ausbildung ist das Trauermodell „Trauer erschließen“, das Dr. Ruthmarijke Smeding in den 1980er Jahren entwickelte. Die gebürtige Niederländerin gilt als eine der bekanntesten Forscherinnen im Bereich der Palliativ- und Trauerbegleitung. Auf Einladung des Hospizvereins sprach sie im vollbesetzten Pfarrsaal St. Michael in Kempten.

Kempten: Trauer ist eine Herausforderung

Dr. Ruthmarijke Smeding ist seit mehr als drei Jahrzehnten international in Aus-, Weiter-und Fortbildungen für Hospiz- und Palliative Care tätig. In dem von ihr entwickelten Modell geht sie davon aus, dass Trauer die größte Lehr-Lern-Herausforderung für die Weiterlebenden ist. Trauer sei ganz individuell in ihrer Intensität, Dauer und Ausprägung, betonte die Expertin in ihrem sehr persönlichen und berührenden Vortrag. Wie sie aus eigener Erfahrung nach dem Tod ihres Bruders wisse, sei die Sehnsucht nach der verlorenen Person manchmal so stark, „dass man glaubt, verrückt zu werden“. Gerade in der Anfangszeit würden viele Hinterbliebene berichten, dass sie die verstorbene Person noch sehen, hören, riechen oder fühlen können, etwa mit Sätzen wie „Ich habe manchmal das Gefühl, sie streichelt mir über den Arm“ oder „Ich höre ihn immer noch jeden Abend die Treppe raufkommen“. „So etwas kennen nur Trauernde“, weiß Smeding „und es ist neurologisch belegt. Die Synapsen können sich nicht so schnell umstellen.“ 

Es ist doch schön, dass er oder sie in dir noch anwesend ist. Schau hin, noch ist es da. Solche intensiven Erfahrungen gehen mit der Zeit weg. Aber sie geben dir Mut, um weiterzugehen. Man sollte sie auspacken wie ein Geschenk.“ Trauer habe sehr viel mit Ernten zu tun, so Smeding weiter. „Man erinnert sich an die Person und an die gemeinsame Zeit und man ‚erntet‘ die Erinnerungen.“
Trauernde sollten nicht versuchen, vor der Trauer wegzurennen oder vor ihr Angst zu haben. Wichtig sei es jedoch, den Blick nicht nur auf den Schmerz zu lenken, sondern auch darauf, was am jeweiligem Tag gut war – und sei es auch noch so klein. Von zentraler Wichtigkeit in der Trauerbegleitung sei es, für die Menschen in ihrem individuellen Trauerweg da zu sein, da zu bleiben, sich zu kümmern, zuzuhören (anstatt Ratschläge zu erteilen), in Beziehung zu treten und vor allem die Trauer gemeinsam auszuhalten und gemeinsam weiterzugehen.


Sie selbst wisse, wie wohltuend und hilfreich es sei, sich einmal „leer zu weinen“. „Dann ist es gut, wenn jemand dabei bleibt und das alles mit aushält. Dann merkt man, ich bin immer noch da, ich bin nicht zerflossen und mein Weg geht weiter.“ Trauerbegleitung könne „nie so helfen, dass es aufhört“, betonte Smeding. „Als Trauerbegleiter muss man die Würde der Untröstlichkeit wirklich respektieren. Trauer ist kein lösbares Problem, sondern das Lernen, ohne den anderen weiterzuleben.“

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