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»Vorreiter und Nutznießer«

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Staatssekretär Dr. Gerd Müller, Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Moderatorin Julia Treml-Thalkofer und Staatskanzleichef Thomas Kreuzer machen es sich in der Dietmannsrieder Festhalle auf einem Haufen Strohballen bequem. © Sabine Stodal

Dietmannsried – Wie sieht Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner die Zukunft der Landwirtschaft? Wie wirken sich aktuelle EU-Richtlinien auf unsere heimischen Landwirte aus? Mit welchen Problemen hat der Bauernstand zu kämpfen?

Fragen, denen sich Brunner und seine Parteikollegen, der parlamentarische Staatssekretär des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Dr. Gerd Müller, sowie der Leiter der Bayrischen Staatskanzlei, Thomas Kreuzer, vergangene Woche bei einer Diskussion in der Festhalle stellten. 

„Landwirtschaft – Aktuelle Themen und die Zukunft“ lautete das Motto der (Wahlkampf-)Veranstaltung, zu der der CSU Kreisverband Oberallgäu und der Ortsverband Dietmannsried eingeladen hatte. Dementsprechend hoch war unter den rund 200 Zuhörern die Zahl der Landwirte und der Vertreter landwirtschaftlicher Organisationen und Behörden. In seiner Einleitungsrede berichtete Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zunächst von den jüngst erzielten Einigungen in der EU-Agrarpolitik, die erfreulicherweise in vielen Punkten Bayerns Erwartungen entsprächen. 

So erlaubt Brüssel den Nationalstaaten beispielsweise von nun an die Einführung einer Kleinerzeugerregelung, bei der Betriebe, die in der sogenannten 1. Säule der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik (GAP) maximal 1250 Euro Prämie pro Jahr erhalten, von den CC-Kontrollen befreit werden. Bislang sind EU-Direktzahlungen an Auflagen im Bereich Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz u.a. gekoppelt, die in stichprobenartigen Kontrollen überprüft werden. Zudem werden Betriebe mit mehr als 75 Prozent Dauergrünland vom Greening (Umweltschutzauflagen an die Landwirte) freigestellt. 

Ein neues Prämienprogramm soll Landwirten bis zum 40. Lebensjahr einen finanziellen Anreiz zur Weiterführung der Betriebe geben – aufgrund der Tatsache, dass sich ein Drittel aller deutschen Bauernhöfe in Bayern befindet, fließt hierdurch überdurchschnittlich viel Geld in den Freistaat. Derzeit werde weiters über eine gerechte Ausgestaltung der 1. Säule, sowie eine sogenannte „Raufutterfresserprämie“ für Betriebe mit Wiederkäuern diskutiert. „Wer in absolutem Grünlandgebiet wirtschaftet, braucht Vieh“, so die Erläuterung, „Der dadurch entstehende Mehraufwand im Vergleich zu Ackerbauregionen soll mit einer eigenen Prämie entlohnt werden, die allerdings noch auf Länderebene verhandelt werden muss.“ 

Zukunft ungewiss 

Brunners Sorge gilt indes den Milchbauern. Deren Zukunft ist nach dem Ende der Milchquotenregelung 2015 ungewiss. „Wir brauchen einen Ansatz, der unseren 39 000 bayerischen Milcherzeugern eine Zukunftsperspektive sichert.“ Hier gebe es viele ungeklärte Fragen, über die bereits intensiv beraten werde. Insgesamt sei Deutschland und insbesondere Bayern aber auf einem guten Weg. „Wir sind Vorreiter und vielleicht auch Nutznießer der neuen europäischen Agrarpolitik“, stellte Brunner fest und sparte nicht mit Eigenlob: Gerade die bayerische Agrarpolitik habe in den letzten zehn Jahren viele erfreuliche Erfolge erzielt – wie etwa die gelungene Verlangsamung des Strukturwandels, das Rekord-Exporthoch, verschiedenste Förderprogramme, sowie die Einführung des Regionalsiegels und des Siegels „BioRegio 2020“, dessen Ziel es ist, die Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln künftig stärker aus heimischer, regionaler Produktion zu decken. Denn anders als im konventionellen Bereich, wo Bayern über den Eigenbedarf hinaus produziert und seine Produkte weltweit vermarktet, sei man bei Öko auf Importe angewiesen. Allerdings sei der Verbraucherwunsch nach hochwertigen Produkten aus der Region unvereinbar mit der weit verbreiteten Sonderpreismentalität, kritisiert Brunner. „Wir brauchen den Verbraucher im Boot, der merkt, dass es von Vorteil für ihn ist, wenn er die Produkte aus der Region kauft. Da stimmt die Qualität und der Konsument leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung und zum Erhalt unserer Kulturlandschaft.“ 

In der anschließenden „Strohballendiskussion“, wie Brunner die Gesprächsrunde im Hinblick auf die zünftigen Sitzgelegenheiten nannte, kamen die Zuschauer mit ihren Anliegen zu Wort. Dabei erntete das politische Dreigespann viel Lob für seine Arbeit im Dienste der bayerischen Landwirtschaft. Edith Rayner von der Interessensgemeinschaft Schorenmoos konnte sich über Brunners Zusicherung freuen, dass die heftig umstrittene geplante Renaturierung des Moorgebietes in der Nähe von Dietmannsried, die zunächst mit einer massiven Zerstörung des Naherholungs- gebietes einhergegangen wäre (der Kreisbote berichtete mehrfach), nicht im ursprünglich geplanten Umfang ausgeführt werden wird. Weitere Themen waren der Wunsch nach einer Mindestrente für Landwirte (die Brunner allerdings für nicht umsetzbar hielt), sowie die schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme, die aus der Exportsperre deutscher Milch- und Fleischprodukte nach Russland entstehen (das Land hat den Bezug deutscher Milchprodukte aufgrund hygienischer Mängel in deutschen Erzeugerbetrieben gestoppt). 

Streitthema Tbc 

Dr. Gerd Müller zeigte sich zuversichtlich, „dass wir den russischen Markt wieder freibekommen“. Im Hinblick auf den wichtigen chinesischen Markt sei kein Anlass zu Präventivmaßnahmen gegeben. Auch die Tbc-Verordnung und die damit einhergehende Problematik der ungenauen Testverfahren und monatelangen, häufig ungerechtfertigten Betriebssperrungen kamen zur Sprache. Ein Streitthema, bei dem Brunner, Kreuzer und Müller viel Verständnis für die betroffenen Landwirte aufbrin- gen. Es sei dringend nötig, bundesweit einheitliche, praxistaugliche Ausführungsbestimmungen der Tbc-Verordnung zu erlassen. Derzeit werde zudem die Frage der Entschädigung der zu Unrecht gesperrten Betriebe verhandelt. Zum guten Schluss eines langen Abends überreichte Thomas Kreuzer seinem Kollegen Brunner einen Allgäu- Führer in Buchform, mit der scherzhaften Androhung: „Ich werde ihn abfragen, ob er’s auch gelesen hat.“

Sabine Stodal

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