»Nicht nach dem Sarg Ausschau halten«

Auf die Frage, ob unser Gesundheitssystem noch bezahlbar ist, hätte wohl jeder gerne eine Antwort. Schließlich ist jeder davon betroffen. Auf ein klares Ja oder Nein hatten die Zuhörer im Laubener Birkenmoos vielleicht gehofft, mussten aber nach den Ausführungen von Andreas Ruland, Geschäftsführer, des Klinikverbunds Kempten-Oberallgäu, akzeptieren, dass die Antwort „ Ja, aber“ lautet.
Das Interesse jedenfalls war groß, im Kreis der Zuhörer befanden sich eine Reihe von Personen, deren Namen politisch bewanderten geläufig sind. Gertrud Knoll, Dr. Ingrid Fickler, Renate Deniffel, Marie-Luise Hauser, Alfons Zeller oder etwa der Oberallgäuer CSU-Kreisvorsitzende, Joachim Konrad. Claudia Homanner, Kreisvorsitzende der Frauen-Union Oberallgäu und ihre Kollegin Stefanie Moser aus dem Unterallgäu wurden dadurch in ihrem Führungsstil bestätigt. Die kräftig steigende Zahl der Mitglieder untermauert dies. Unzufriedene Deutsche Ruland begann seine Ausführungen mit einer Analyse des status quo. Obwohl Deutschland über genügend Ärzte, Krankenhäuser, Universitätskliniken und einen perfekt funktionierenden Rettungsdienst verfüge, bewerten nur 17 Prozent in unserem Land das Gesundheitswesen als „gut“ oder „sehr gut“. 55 Prozent sind es in der Schweiz und in Frankreich, 43 in Kanada, 30 in Großbritannien und 21 in den USA. Wenn man bedenkt, dass zum Beispiel in England Patienten über 80 eine Hüft-OP wegen ihres Alters verweigert wird, ist das deutsche Votum kaum nachvollziehbar. Nicht zufrieden sind bei uns 50 Prozent, bei den Untertanen der Queen nur 14. Jammern wir auch hier auf hohem Niveau? Ein bisschen Medienschelte musste Ruland an dieser Stelle schon noch loswerden. „ Als ein Säugling in einer Mainzer Kinderklinik starb, war die Schlagzeile in der Boulevardpresse fast ein Seite groß. Als sich herausstellte, dass die Ärzte absolut schuldlos waren, umfasste das Dementi auf der letzten Seite gerade mal fünf Zeilen,“ rekapitulierte der seit elf Jahren im Gesundheitswesen tätige Geschäftsführer. Mehr Ältere, mehr Kranke Auf 263 Milliarden Euro, immerhin drei Prozent mehr als im Vorjahr, ist das Budget angewachsen, rechnete er vor, das entspricht 10,8 Prozent des BIP. Zum Vergleich: In Japan sind es 8,1 Prozent, in Spanien und England 8,4 . Die Lebenserwartung in diesen Ländern liegt bei 82,6 bis 81,0 und 79,5 Jahren, bei uns sind es 80. Die Menschen werden älter, haben damit altersbedingte Krankheiten, die man früher gar nicht bekam wie beispielsweise Krebs, Herzinfarkt oder Demenz. Die Kosten der Behandlung tragen aber immer weniger, da aus der Alterspyramide die Urnenform geworden ist. Ruland rechnete vor, dass in 50 Jahren jeder Dritte über 65 und jeder Siebte über 80 Jahre alt ist. Dies bedeutet eine Zunahme von zwei Millionen Pflegebedürftigen. All dies berücksichtigend, kam Ruland zu der Schlussfolgerung, dass das Gesundheitssystem weiterhin bezahlbar bleibt, wenn: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland erhalten bleibt, die Kernaufgaben der Krankenversicherung wieder mit dem Grundgedanken Otto von Bismarcks in Einklang gebracht werden, weniger Staat, mehr Eigenverantwortung praktiziert und die solidarische Einstellung wieder hergestellt wird, die Arbeitsplätze im Gesundheitswesen attraktiver werden und schließlich neben dem Segen der Apparatemedizin auch deren Fluch in unser Denken einzieht. Er fasste es in einem Satz zusammen: „Nicht nach dem Sarg Ausschau halten, wenn es nach Blumen riecht.“