Ottavia Maria Maceratini spielt Mozart, Schumann, Chopin und Liszt

Kempten – Ein hörenswertes Konzert! Die italienische Pianistin Ottavia Maria Macerati setzte am vergangenen Freitag im Stadttheater mit ihrem Klavierabend einen sehr gelungenen Schlussakkord unter die diesjährige Reihe der Solopiano-Konzerte, die solistischer Klaviermusik gewidmet sind.
Es verband sich bei ihr im Verlauf des Abends zunehmend die sympathische Ausstrahlung einer schönen Frau mit pianistischem Tiefgang. Liest man ihre hintergründigen Anmerkungen auf ihrer Webseite, dann könnte man den Satz auch umdrehen, bei ihr verbindet sich der Tiefgang einer bereits in jungen Jahren lebensklugen Frau mit pianistischer Schönheit.
Sie hatte ihr Programm, das aus dem Dreigestirn der romantischen Klaviermusik, Schumann, Chopin und Liszt mit einem Appetitanreger Mozart zu Beginn bestand, sehr anregend gewählt.
Ein gutes Konzert wie gute Kunst im Allgemeinen bietet mehr als nur ästhetisches Vergnügen. Es macht Zusammenhänge klarer und regt zum Nachdenken an, kurz, man verlässt den Vortrag reicher.
Neben vielen in diesem Sinne erhellenden Momenten zeigte sich im Konzert, dass Mozart und Chopin jenseits von virtuosen Aspekten am schwersten zu interpretieren sind, dass im Flügel des Stadttheaters dynamische Möglichkeiten stecken, die zum Leben erweckt werden wollen und dass Liszt live gespielt und gehört zu einem echten Erlebnis werden kann.
Mozarts Rondo in a-moll KV 511 fiel auf den ersten Blick etwas aus dem Zusammenhang des restlichen Programms. Beim zweiten Blick passte es dann doch gut zum weiteren romantischen Verlauf, enthielt es doch mit seinen vielen chromatischen Passagen und ungewöhnlichen harmonischen Wendungen aus der musikalischen Klassik in die Zukunft weisende Elemente.
Mozart schrieb das Moll-Stück 1787 mit den für ihn typischen, ständigen Wechsel ins Dur. Man denkt beim Zuhören an die zwei Jahre zuvor komponierte Maurerische Trauermusik, wo er ähnlich verfährt, äußerer Anlass war hier wie dort das Gedenken an verstorbene Freunde.
Leider bleibt Ottavia Maria Macerati bei Mozart noch sehr an der Oberfläche des Stücks hängen. Es gelingt ihr noch nicht – was die große Schwierigkeit der Interpretation von Mozarts Klaviermusik ausmacht – in der Leichtigkeit der Form die Tiefe des Ausdrucks zu finden.
Bei Robert Schumanns Arabeske in C-Dur op.18 ändert sich das. Es kommen Farbe und Dynamik ins Spiel der Pianistin, die sich dann in der Fantasie C-Dur op.17, einem Hauptwerk Schumannscher Klavierkunst, weiter steigern.
Wie bei Liszt ist allerdings bei Schumann der innere Gehalt des Stücks bereits in den Noten so stark ausformuliert, dass es nicht mehr eines interpretatorischen Kraftakts bedarf, um einen stimmigen Vortrag zu gestalten.
Bei Frédéric Chopin nach der Pause verhält es sich da schon etwas anders. Gerade in seinen kleineren Stücken – und um solche handelte es sich durchweg im Programm dieses Abends – bedarf es großer handwerklicher Fähigkeiten und musikalischen Einfühlungsvermögens, um aus dem Noten-Rohstoff die Diamanten zu formen, die hier angelegt sind.
Ottavia Maria Macerati zeigte bei Chopin in ihren jungen Jahren bereits eine Meisterschaft, die diese Stücke tatsächlich strahlen ließ. Perlende Läufe und eine dynamisch klar formende linke Hand!
Türöffner für Liszt
Schließlich Franz Liszt. Wer Liszt kennt oder besser, wer ihn nicht gut kennt, der ist oft geneigt, Scheu oder Ablehnung vor diesem Komponisten an den Tag zu legen. Zu viele Noten, zu viele Tonartwechsel, zu viele Vorzeichen, zu kompliziert, zu expressiv, zu wenig Schönklang.
An diesem Abend öffnete Ottavia Maria Macerati für notorische Liszthasser eine Tür, wie sie schöner nicht hätte sein können. So wunderbar rein, so nuanciert, so meisterhaft gegliedert spielte sie die Fantasie über Liszts Beschäftigung mit Dante, dass einem der musikalische Sinn wie von selbst zuflog. So ganz nebenbei und ohne Effekthascherei nutzte sie wirklich den vollen Dynamikumfang des Steinway-Flügels von ganz leise bis ganz laut aus und lieferte ein Paradebeispiel für musikalische Gestaltung ab.
Es war plötzlich überhaupt nicht mehr anstrengend, Liszt zu hören, Leichtigkeit und Frische aus der Hand einer Frau schwebten durch den Raum und entließen mit dem „Liebestraum“ als zweiter Zugabe den begeisterten Zuhörer mit einer Idee von Schönheit im Kopf.
Jürgen Kus