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Allgäu Tag: Mit den Werten »ehrenwert, heilsam, friedlich, originell« soll das Allgäu künftig bei Touristen punkten

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Als Gastredner stand Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie beim Allgäu-Tag auf der Bühne der proppenvollen Kult Box. © Tröger

Kempten – Ehrenwert, heilsam, friedlich, originell – das sind die vier Markenwerte, die als Markenessenz unter dem Begriff „frisch“ für die Marke Allgäu zusammengefasst werden. Sie sind die Basis für die Fortschreibung der letzten zehn Jahre Tourismus- und Markenstrategie für die nächsten zehn Jahre bis 2030 und wurden von der Allgäu GmbH auf dem „Allgäu Tag“ im Rahmen der Allgäuer Festwoche erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

Da die drei Schwerpunkte „gemeinsam stärker“ seien, habe man Tourismus, Marke und Standort zusammengefasst und verfolge das Ziel, „weiter zusammen arbeiten in dem Bewusstsein, gemeinsam mehr erreichen zu können“, erklärte der Oberallgäuer Landrat und Vorsitzende des Aufsichtsrates der Allgäu GmbH Anton Klotz zur Eröffnung des Fachtages. 

Das Allgäu sei zu einer „selbstbewussten Region geworden“, sah Klotz den Grund dafür in den zehn zurückliegenden Jahren Markenstrategie. Durch sie sei es gelungen, sich von einer touristischen Herkunfts- zu einer Qualitätsmarke zu entwickeln – sowohl im Tourismus als auch als Wirtschaftsstandort. Einen Beleg dafür sah er unter anderem in der Entwicklung der Gewerbesteuer, die zeige, „dass es uns im Allgäu so gut geht wie noch nie“. Dass es auch so bleibe, daran müsse man aber arbeiten. 

Klotz zufolge bleibt der Tourismus ein wichtiges Standbein für die Gesamtregion, weshalb man „konsequent in die Qualität unserer touristischen Angebote investieren“ wolle, um besser zu werden, statt „mit allen Mitteln erweitern“. Als Beispiele nannte er Besucherlenkungsmaßnahmen u.a. im Bereich Mountainbike oder Skibergsteigen und auch das neue Projekt Umweltbildung und naturnaher Tourismus zeige, „wie wir noch stärker die Interessen von ideologiefreiem Naturschutz und Tourismus verbinden können“. 

Bergbahnen würden in zukunftsweisende umweltverträgliche Antriebsarten investieren; im Bereich Digitalisierung wolle man Vorreiter sein, verwies Klotz auf das Forschungsprojekt „Bayern Cloud“, bei dem die Allgäu GmbH Pilotpartner sei; und damit das Allgäu für seine Bürger wie Gäste lebenswert und attraktiv sei, müsse man sich auch mit neuen Formen der Mobilität beschäftigen. 

Zusammengefasst ergeben sich für Klotz drei Schwerpunkte: Der Bedarf an Fachkräften in vielen Branchen, wo „schon viel passiert ist“, seitens Allgäu GmbH und Kemptener Hochschule; Mobilität, wobei „ein Blick nach Vorarlberg zeigt, was möglich ist“, und die Mona zumindest „ein erster Schritt“ sei. Aber „Bus und Bahn fahren muss einfacher und billiger werden“, sagte Klotz geradeheraus. Deshalb plane er für das nächste Jahr auch ein 1-Euro-Ticket. Bei der Elektrifizierung der Bahn „kommt uns vermutlich die nächste Eiszeit im Allgäu zuvor“, unkte er, und nannte Wasserstoffantrieb als seinen Favoriten. Und als dritten Schwerpunkt wolle man beim Klimaschutz das Allgäu in der Vorreiterrolle sehen, nannte er 95 Prozent weniger CO2-Emissionen als Ziel bis 2050. 

Dennoch warnte er davor, das Allgäu „unter eine Käseglocke“ zu stellen, denn zu Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung gehöre auch, „dass wir uns weiterentwickeln“. So erreiche man die anvisierten Ziele nicht, „wenn wir neue Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke verhindern“ und gerade für den Bereich Tourismus bedauere er außerordentlich, dass es in Füssen kein Hotel geben werde. „Auch die Diskussion um den Grünten wird geführt, als ob wir einen völlig unberührten Berg neu erschließen wollten“, dabei sei das Konzept der Investoren „ausgewogen und angepasst“. 

Am Rednerpult folgte Roland Weigert, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie mit einem so eloquenten wie belanglosen Vortrag. Er betonte, wie wichtig das Allgäu für Bayern sei, streifte den aktuellen Tierskandal in Bad Grönenbach mit dem Hinweis, „dass die Masse der Bauern uns mit hochwertigen Lebensmitteln versorgt“, auf das Tierwohl achte und zudem die Landschaft pflege. Deshalb sei es aus seiner Sicht wenig sinnvoll, sie mit zu vielen Regularien oder gar einer Fleischsteuer zu gängeln. Beispielhaft führte er die eingeführten Regularien nach der Finanzkrise ins Feld, die letztendlich nicht den großen Banken „das Leben schwer gemacht“ hätten, sondern den kleinen wie den Raiffeisenbanken und Sparkassen, „die für den Mittelstand wichtig sind“. 

Zurück zum eigentlichen Thema hob er die Tourismusbranche als „eminent wichtig für diesen Freistaat“ hervor. Hier sei das Allgäu den Übernachtungszahlen nach die zweitstärkste Region und er werde versuchen, im Nachtragshaushalt nochmals Mittel zur Tourismusförderung, Digitalisierung sowie Projekte wie den Grünten locker zu machen. 

Nicht nur zur Stärkung der Gastwirtschaft im ländlichen Raum, auch bezüglich der Versorgungsstrategien für den 5G-Mobilfunk habe man schon einiges vorangebracht und als „elementar“ bezeichnete Weigert das „Flächensparen im Tourismus“. 

Michael Weiß, Geschäftsführer Meckatzer Löwenbräu und Vorsitzender des Fachbeirats Marke, erläuterte Hintergrund und Aussage der Markenwerte und der Markenessenz als Grundlage der weiteren Marken- und Destinationsstrategie für die Marke Allgäu. Demnach löst diese auf erfrischende Art und Weise den scheinbaren Widerspruch zwischen konservativ und innovativ. Als „persönliche Anmerkung“ wies er darauf hin: „Kirchturmdenken hilft uns sicherlich nicht.“ Auch wenn es schwierig sei, all die „Interessensunterschiede“ und verschiedenen Auffassungen von Qualitätsverständnis unter einen Hut zu bringen, könne die Marke Allgäu nur gelingen, „wenn wir alle zusammen agieren“. Zudem hielt er es für wünschenswert, wenn die Konflikte in Füssen oder am Grünten „stilvoller geführt werden“. 

Klaus Holetschek, MdL und Vorsitzender des Fachbeirats Tourismus, erklärte ein „klares, gemeinsames Qualitätsverständnis“ entwickeln zu wollen. Dafür müsse klar werden, was bezahlbarer Wohnraum für Arbeitnehmer heiße, wie die Themen Mobilität, Schulen etc. angepackt werden sollen. Der Begriff „Ressourcenschonung“ müsse sich „wie ein roter Faden“ immer durch das Thema ziehen, betonte er. 

Eine der großen Herausforderungen sah er in der Digitalisierung und dem Erschließen von neuen Geschäftsfeldern, wie Kulinarik und Familie. „Es geht nur miteinander füreinander.“ 

In der abschließenden Podiumsdiskussion „Alles frisch?“ machte Markenspezialist Thomas Stranig, Geschäftsführer von Brandwork Studios, deutlich, dass eine Marke nicht übergestülpt werden, sondern nur überzeugen könne, wenn Menschen die Inhalte auch lebten. „Gäste wollen nicht in ein Freiluftmuseum“, sagte Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor Füssen. Deshalb gehört für ihn unbedingt dazu, die Fragen der Gesellschaft zu hören und sie auch zu lösen, angefangen bei Mikroplastik über Mobilität bis zum Flächenverbrauch. „Wir wollen Gäste, die sich auch sonst Gedanken machen“ zu Umweltthemen und die, wenn sie hier sind, sagen: „Mensch, die haben es drauf und haben Lösungen, die wir noch nicht haben“ und das dann mit nach Hause nehmen. Insgesamt, sagt er, „sind wir an dem Punkt, dass wir den ganzheitlichen Lebensraum betrachten müssen“, in dem sowohl die Einheimischen als auch die Gäste ihren Platz haben. „Wenn wir den Bürger als Problem betrachten“ habe man selbst ein Problem. Wenn es aber dem Einheimischen gut gehe, spiegle sich das auch beim Touristen. 

Dass die Menschen heute Lösungen für die Probleme erwarten, hört auch Michaela Waldmann, 1. Bürgermeisterin Pfronten, bei Urlaubsgästen heraus und ruft nach „Impulsen vom Freistaat“, nach Unterstützung unter anderem zum Erhalt von Bädern und anderer nicht nur touristischer Infrastruktur. Von neuen Mobilitätskonzepten erhofft sie sich bessere Akzeptanz von Verkehrsflüssen der Urlauber, Arbeitspendler und Einheimischen. 

Einigkeit herrschte auf der Bühne darüber, dass das Markenversprechen nun auch ge- bzw. erfüllt werden muss: „Die Marke Allgäu ist mit ihren Markenwerten und ihrer Markenessenz „frisch“ richtungsweisend für die nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung unserer Region. Sie löst auf erfrischende Art und Weise den scheinbaren Widerspruch zwischen konservativ und innovativ. In sorgfältiger Geschichte, Kultur und Tradition werden die Allgäuer Werte gepflegt und geschützt. Gleichzeitig geht der Blick in die Zukunft. Gemeinsam mit ihren Partnern übernimmt die Marke Allgäu Verantwortung für ein gesichertes und nachhaltiges Leben künftiger Generationen. Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung entwickeln sich in Richtung einer selbstverständlichen Balance. Image und Identität werden eins. Das Allgäu wird zu einer der lebenswertesten Regionen im ländlichen Raum.“

Christine Tröger

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Nachdem das Allgäu bei der offiziellen Eröffnungsfeier der Allgäuer Festwoche im Stadttheater eigentlich keine Rolle gespielt hatte – da war Kempten die alleinige Primadonna – standen die Landkreise dann beim Allgäu-Tag doch noch im Fokus. Zu einer „selbstbewussten Region“ sei das Allgäu geworden, hieß es da und mit durchaus berechtigtem Stolz wurden die Markenwerte „ehrenwert“, „heilsam“, „friedlich“, „originell“ und ihre Essenz „frisch“ präsentiert. Mit emotionsgeladenen Bildern ist die wunschgemäß ansprechende Broschüre „Die Marke Allgäu – Wertvoll und voller Werte“ gestaltet, wie auch der (laut Allgäu-GmbH nicht für die Öffentlichkeit bestimmte – wofür bitte dann?) Imagefilm, der im Rahmen der Veranstaltung gezeigt wurde: Bilder von jungen, schönen, dynamischen, glücklichen, leistungsfähigen Menschen in intakten, bisweilen atemberaubenden Landschaften, Bilder mit traditionell gekleideten Einheimischen und modern gewandeten Touristen. 

Das Allgäu als pures Retro-Idyll. Kein Freizeitpark stört die Ruhe auf dem Berg, kein Hotelkomplex den Ausblick in die Natur, das Luftbild zeigt eine der wenigen noch nicht von vorgelagerten Gewerbegebieten verschandelte Ortschaft. 

Nichts gegen eine Weiterentwicklung des Allgäus. Aber die Frage sei erlaubt: Wie fügen sich die reale Allgäuer Welt sowie die bereits geplanten Freizeitangebote, wie das auf dem Grünten, in das ja eben erst kreierte, leider auch sehr klischeehafte Bild des Allgäus ein? Leider vermisst man in der schönen Werbewelt auch das kulturelle Allgäu, ob im Bereich Brauchtumspflege, mit Konzertangeboten – immerhin gibt es eine Reihe etablierter Musikund Theaterfestivals – oder mit Angeboten zur Erkundung der vielerorts gut dokumentierten Geschichte der Gegend und seiner Menschen u.v.m. Wo liegen Wunsch und wo Wirklichkeit?

Christine Tröger

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