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Von Muckefuck und Superfood, Frust und Fairtrade

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Bevor die Diskussion startete, führte Veronika Hämmerle vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (v.l.) die Ehrengäste durch Halle 11, darunter Richard Hiepp, Vorsitzender des Zweckverbandes Landwirtschaftliche Schule Kempten und Kemptens OB Thomas Kiechle. © Reder

Kempten – „Die Fichte, der Eisbär unter den Bäumen, hat ihre beste Zeit hinter sich“, erklärt Dr. Ulrich Sauter, Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF),

das sich heuer mit den Besucherinnen und Besuchern der Allgäuer Festwoche in Halle 11 auf eine spannende Zeitreise begibt.

Unter dem Motto „gestern – heute – morgen“ präsentiert sich das AELF, der Zweckverband der Landwirtschaftsschule Kempten, der Verein „MIR Allgäuer “ und das Milchwirtschaftliche Zentrum Bayern in Halle 11 der Allgäuer Sonderausstellung. Der Rundgang durch Halle 11 mit dem Ehrengast Ministerialdirigent Wolfram Schöhl startete am Stand der Förster. „Die Baumpflanze ist eine Generationenpflanze“, sagt Sauter. So besteht der Bergmischwald seit Jahrhunderten aus Tannen, Buchen und Fichten. Doch der Klimawandel erfordere ein Umdenken, so der Waldexperte. Durch ein sogenanntes „Mulitpicture“ bekommt der interessierte Betrachter zahlreiche Eindrücke zur Faszination Bergwald.

Am Stand „Ernährung“ spiegeln Epochenteller die Geschichte der Ernährung wider. Eine Zeitreise über alle Jahrzehnte, sagte Dr. Elisabeth Bischofberger. Es wird das veränderte Essverhalten mit zunehmenden Wohlstand und gesellschaftlichem Wandel dargestellt. Angefangen mit den Hungerjahren mit dem Symbol „Muckefuck“, über das beginnende Wirtschaftswunder – „Fresswelle“, der alternativen Essensbewegung –„Müsli“ bis hin zur gesundheitsbewussten Ernährung – „Superfood“. Drei Zukunftsszenarien geben einen Ausblick auf mögliche Entwicklungstendenzen, entweder „regional, nachhaltig und fair“, „gesund und fit“ oder hin zu „bequem und satt“. 

Ein Informationsständer mit erlebbaren Bildern, Zahlen und vielen Informationen zu Bewirtschaftung, Vermarktung und Entwicklung der Landwirtschaft soll zum Entdecken einladen, sagt Georg Ohmayer (AELF) und die Vielschichtigkeit aufzeigen. Zudem stellen sich zwei Landwirte, Valentin Hummel und Markus Lang von der Landwirtschaftsschule Kempten sowie ihr Lehrer Daniel Jeschke den Fragen der VerbraucherInnen zu aktuellen Themen, wie Tierwohl, Tierschutz, biologischen und konventionellen Anbau etc. Das Milchwirtschaftliche Zentrum Bayern, das ebenso in Halle 11 vertreten ist, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen. An einer selbstgebastelten Kuh mit einer alten Melkanlage können sich die VerbraucherInnen beim Melken ausprobieren. 

Und auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Die Bäuerinnen des Vereins „MIR Allgäuer – Urlaub auf dem Bauernhof“ bieten selbstgemachten Kuchen aus Heumilch und Dinkelmehl sowie fair gehandelten Kaffee an. Sie möchten damit Solidarität zeigen, so die Vorsitzende Angelika Soyer. Landwirtschaft ohne Zukunft? In dem anschließenden Fachgespräch betonte Oberbürgermeister Thomas Kiechle die Wichtigkeit des Austausches mit den VerbraucherInnen. „Der Strukturwandel in der Landwirtschaft betrifft uns alle und auch die Verantwortung, etwa im Umgang mit Lebensmitteln tragen wir alle.“ Mit Ministerialdirigent Wolfram Schöhl wurde dann auch hitzig zum Thema Artenschutz und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft diskutiert. So dürfe aus Sicht der Landwirtschaft das verabschiedete Volksbegehren Artenvielfalt mit dem neuen Begleitgesetz nicht verharmlost werden, so Landrat Anton Klotz. „Die Landwirte fühlen sich drangsaliert und werden zusätzlich belastet.“ 

Auch Monika Mayer, die Kreisbäuerin für den Kreisverband Oberallgäu, stimmte zu. „Die alltägliche Arbeit wird dadurch eingeschränkt, es ist zutiefst frustrierend.“ Richard Hiepp, Vorsitzender des Zweckverbands Landwirtschaftsschule Kempten, stellte provokant fest, „Landwirtschaft hat Zukunft, nur oberflächlich. Im Detail hat sie keine mehr.“ Problematisch sei für Alfred Enderle, Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes Schwaben, dass viele Menschen dafür gestimmt hätten, die keine Ahnung von der Landwirtschaft haben. „Die Realität soll nicht schöngeredet werden, es braucht konkrete Maßnahmen“, so Enderle. Auch Florian Hierl, Vorstand des Maschinenrings Oberallgäu e.V. ,sieht die aktuelle Situation prekär. Er forderte, klare Kante in der Öffentlichkeit für die Landwirtschaft zu zeigen. Schöhl versuchte, die Gemüter zu beruhigen. 

Er plädierte für Optimismus, einer Aufklärungskampagne mit Hilfe der sozialen Medien, Diversität und wenn nötig, sollte man sich ein zweites Standbein schaffen. „Der findige Ökonom muss für sich eine Lösung finden“, so der Ministerialdirigent. Landwirtschaft hänge eng mit Nahrung zusammen, doch es fehle die Alltagskompetenz, so die Kreisbäuerin. Ein erster Schritt sei die verpflichtende Einführung an den Schulen. „Das wird kommen“, so Schöhl. Auch Werner Bayerhof, der Vorsitzende des Verbands für landwirtschaftliche Fachbildung Kempten sieht die Chance für die Landwirte in den sozialen Medien. So sollten die Bauern für ihren Hof eine eigene Homepage erstellen und sich positiv darstellen, nur so könne das Bild in der Öffentlichkeit positiv verändert werden. 

Christine Reder

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