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„Annes Kampf“ im Landsberger Stadttheater

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Von: Susanne Greiner

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Annes Kampf Landsberg
Marianne Blum und Thomas Linke mit „Annes Kampf“: eine Lesung aus Franks Tagebuch und Hitlers „Mein Kampf“. © Eggers

Landsberg – „Alles, was ich geschrieben habe, ist aktuell.“ Auch wenn die zwei Schriften, aus denen Kabarettistin Marianne Blum und Schauspieler Thomas Linke bei ihrem Auftritt im Stadttheater lesen, aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen: Die beiden wollen mahnen. Denn „das ist alles wieder da“: Rechtsradikale, Antisemitismus, Verschwörungstheorien. Und mit ihnen die Populisten, die mit falschen Versprechungen vermeintliche Lösungen propagieren. „Annes Kampf“ stellt Anne Franks Tagebuch und Hitlers „Mein Kampf“ gegenüber. Ein intensiver Abend, zu dem die Kleinkunstbühne s‘Maximilianeum am Sonntagabend geladen hatte.

Marianne Blum begrüßt das Publikum als Anne Frank, zurückhaltend, mit leiser Stimme – das Bild der 13-Jährigen Deutschen jüdischer Abstammung rückt vor Augen. „Jetzt bin ich doch noch geworden, was ich mir erträumt habe: eine berühmte Schriftstellerin. Leider habe ich das nicht mehr erlebt.“ Thomas Linke hält kernig und mit leicht rollendem R dagegen: „Ich war nie weg!“ Ein Blick auf die Titelbilder der Magazine in den letzten Jahren zeige doch deutlich: Wer sich am besten verkauft, das ist „der Führer“.

Abwechselnd lesen Blum und Linke aus Tagebuch und Hetzschrift. Annes „feierliche Einweihung des Tagebuches“ am 20. Juni 1942 steht der „glücklichen Bestimmung“ Hitlers über seine Geburt in Braunau gegenüber. Während Blum liest, wie Anne im geheimen Versteck mit dem ihr typischen Zynismus ein „Ich lebe noch“ in ihre Tagebuch einträgt, schwadroniert Linke als Hitler über seiner ihm unbegreiflichen Ablehnung an der Kunsthochschule – was ihn vor der „Hohlheit des gemütlichen Lebens bewahrt“ habe. Bis zum Tagebuchpunkt, an dem Anne den Abtransport der Familie ins KZ Bergen Belsen beschreibt, wo sie an Typhus sterben wird, deklamiert Linke Hitlers menschenverachtende Weltansichten. „Man hatte es nachlesen können“, schreibt Anne schon 1942 in ihr Tagebuch.

Zwischen die Lesungen setzt Blum jiddische Lieder wie „Spiel, Klezmer, spiel“ oder das KZ-Häftlingslied „Die Moorsoldaten“. Daneben stellt sie deutsche Schlager: Zarah Leanders „Davon geht die Welt nicht unter“, komponiert von Michael Jary und Bruno Balz, kurz nachdem der homosexuelle Balz für den Kompositionsauftrag aus der Gewalt der Gestapo befreit worden war. Auch Hitlers Lieblingskomponist Wagner – Musik, die in den KZs eingespielt wurde – tönt als Siegfried-Arie. Der Abend endet mit Celans „Todesfuge“, die Linke rezitiert: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“

„Es war ekelhaft, ‚Mein Kampf‘ zu lesen“, sagt Linke im anschließenden Gespräch mit dem Publikum. Das Problem: „Jeder kennt ‚Mein Kampf‘, aber keiner weiß, was genau drinsteht.“ Entstanden ist „Annes Kampf“ 2016, als die Rechte für Hitlers Buch, die der Freistaat hatte, ausliefen und sich die im Anschluss erschienene kommentierte Auflage zum Bestseller entwickelte, erzählt Blum (Anm. d. Red: Die kommentierte „Mein Kampf“-Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte ist inzwischen kostenlos im Internet verfügbar.) „Und auch die AfD kam da in die Parlamente.“ Mit dem Stück wolle man den Rassenwahn Hitlers und seine direkte Auswirkung auf einen der vielen Menschen anschaulich machen.

Dass sie „Annes Kampf“ in Landsberg spielen könnten, „wo das hier geschrieben wurde“, habe ihnen viel bedeutet, betonen Blum und Linke. „Wir wollen uns positionieren.“ Denn die Situation werde jedes Jahr schlimmer. „Und aktuell sind wir wieder von Krisen umzingelt“, sagt Linke. Eine Situation, in der Menschen nach einfachen Lösungen lechzen. „Aber wer für so komplexe Situationen einfache Lösungen anbietet, der lügt!“ Dass Hitler in „Annes Kampf“ nicht zynisch und ironisch verzerrt wird, ist beiden wichtig: Man brauche in Bezug auf die „riesige Dimension“ dieses „Geisteskranken“ auch den Gegenpart – ohne Ironie und ohne Sarkasmus.

Am Montag gab es noch eine Schülervorstellung. Zwei Klassen des DZG waren dabei. Angemeldet war auch der komplette Jahrgang eines weiteren Gymnasiums. Die Schulleitung hatte jedoch kurzfristig abgesagt.

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