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Poetenpack setzt beim „zerbrochenen Krug“ auf die Komödie

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Landsberg – Es steckt viel in Heinrich von Kleists Stück. Da geht es um Recht und Gerechtigkeit. Um sexuelle Gewalt, um Macht. Und letztendlich auch um die Wahrheit. Das Poetenpack aus Potsdam zeigt einen soliden „zerbrochenen Krug“. Wortgetreu, zeitgetreu selbst im Bühnenbild. Eine Komödie mit grandiosen Komödianten, die sich inbrünstig Kleists Sprachkapriolen widmen. Ein amüsanter Abend, der nicht auf Tiefe, sondern auf Lustspiel setzt. „Der zerbrochene Krug“ als handfeste Komödie. Die macht viel Spaß. Aber eben kaum mehr. Schade eigentlich.

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1 / 11"Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist in einer solide humorvollen Inszenierung des Poetenpacks Potsdam am Stadttheater Landsberg. © Greiner
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2 / 11"Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist in einer solide humorvollen Inszenierung des Poetenpacks Potsdam am Stadttheater Landsberg. © Greiner
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3 / 11"Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist in einer solide humorvollen Inszenierung des Poetenpacks Potsdam am Stadttheater Landsberg. © Greiner
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10 / 11"Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist in einer solide humorvollen Inszenierung des Poetenpacks Potsdam am Stadttheater Landsberg. © Greiner
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11 / 11"Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist in einer solide humorvollen Inszenierung des Poetenpacks Potsdam am Stadttheater Landsberg. © Greiner

Schreiber Licht bringt Licht ins Dunkel, wenn er mit Laterne durch den Zuschauerraum auf die Bühne schreitet und am Morgen in des Richters Adam Amtsstube kommt. Mit sich bringt er die Nachricht hohen Besuchs: Gerichtsrat Walter aus Utrecht will die Rechtsprechung auf dem Lande revidieren. Den Richter vom Nachbardorf hat er schon suspendiert. Adam ist nicht erfreut. Weiß er doch, dass Recht und Gerechtigkeit zwei verschiedene Dinge sind. Gerade auf dem Land, wo der eigene Vorteil oft die von Walter geforderte Prinzipientreue zum Recht zunichte macht. Nicht umsonst fragt Adam, nach welchen Regeln er Recht sprechen soll: nach den offiziellen oder nach denen des Dorfs Huisum?

Alles nicht schön für Adam. Und dann ist da noch dieser Traum: Er selbst werde angeklagt „und ich, ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort, Und schält‘ und hunzt‘ und schlingelte mich herunter, Und judiziert‘ den Hals ins Eisen mir.“ Ein Traum, der bereits die Handlung vorwegnimmt.

Denn ein Gerichtsverfahren wartet auf Adam: Frau Marthe klagt, weil ihr ein Krug zerbrochen wurde. Und zwar vom nächtlichen Besucher ihrer Tochter Eve. Und auch, wenn Marthe die Vorzüge des Kruges, der schon Feuer und Sturz überlebt hat und den sie wie ein Kind im Arm wiegt, ausführlichst schildert: Es geht nicht um Tonscherben, sondern um Eves zerbrochene Ehre. Denn ihre Aussage, es sei ihr Verlobter Ruprecht gewesen, nimmt Eve zurück. Wer’s wirklich war, will sie nicht sagen. Der Zuschauer weiß natürlich, dass Richter Adam selbst der Beelzebub ist. Der Eve mit einem gefälschten Brief zum Sex gezwungen hat. Ein Rechtsprechender, der selbst Recht bricht, um zu ‚seinem‘ Recht zu kommen.

Es ist pures Vergnügen, Teo Vadersen als Richter Adam zu sehen, der sich dreht und windet, um seine Verletzungen mit obskuren Stürzen oder das Fehlen seiner Würde in Form der Richterperücke zu erklären: Erst klaut sie die Katz, um darin Junge zu gebären, dann verbrennt sie, schließlich ist sie beim Perückenmacher. Immer mehr verdreht sich Adam in den eigenen Lügengespinsten, bis er letztendlich sogar den Teufel als Schuldigen hinnehmen will – als der er letztendlich selbst überführt wird.

Auch die anderen Darsteller füllen ihre Rollen bestens. Thomas Mai als kluger Schreiber Licht, Gundi-Anna Schick als grandiose Marthe, Johanna Lesch als Frau Brigitte – oder als tumb keckernde Magd Liese. Und auch Regisseur Andreas Hueck ist auf der Bühne als Gerichtsrat Walter überzeugend in seiner Prinzipienstarre.

Dass Richter Adam so heißt wie er heißt, die von ihm Verführte Eve, ist natürlich kein Zufall. Kleist zeigt im „Zerbrochenen Krug“ mehrmals die Doppelbödigkeit der Sprache. In Adam und Eve beschreibt er einen neuen Sündenfall, den wollüstigen Richter als Schuldigen. Was nur eines der aktuellen Themen in Kleists Stück ist.

Was ist Recht?

Auch die Rechtsprechung an sich zweifelt Kleist an. Denn der Krug kann nicht mehr heil gemacht werden: „Richter sind keine Töpfer“, sagt Marthe. Ist dann tatsächliche Rechtsprechung möglich? Oder will der Mensch eigentlich nur Rache? Auch wenn Gerichtsrat Walter als „Walter des Rechts“ daherkommt, versteift er sich letztendlich auf Formalitäten. Auf den Richtspruch, der zum ordentlichen Verfahren gehört, egal, ob er nun Recht spricht. Und schließlich: Wer bestimmt, was Recht ist? „Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint“, schreibt Kleist in einem Brief an seine Verlobte Wilhelmine. Denn der Mensch steht nicht über dem Leben. Er ist mittendrin.

Es steckt vieles im „Zerbrochenen Krug“. Doch das „Poetenpack“ zeigt es nicht. Vielmehr vertraut es auf Kleists Sprache und auf einen Zuschauer, der hinter die Worte sieht. Doch das ist nicht leicht. Oft verdeckt der Ulk die Tiefe. Und auch das klassische Bühnenbild erzeugt keinen Bruch, der zum Hinterfragen anregt. Natürlich kann man Kleist so spielen. Und es macht Spaß, Kleist so zu sehen. Doch ist dabei vieles verschenkt.

Susanne Greiner

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