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Liebenswürdige Bosheit: Stefanie Sargnagel in Landsberg

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Von: Susanne Greiner

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Stefanie Sargnagel in Landsberg 2023
Stefanie Sargnagel im Stadttheater Landsberg: Die Wienerin las aus ihrem Roman „Dicht“. Ein Abend mit Charme und Distanz. © Greiner

Landsberg - Stefanie Sargnagel wird mit den Großen verglichen: den Österreich-Hassern Josef Hader und Thomas Bernhard. Denn wie sie beherrscht sie den Wiener Schmäh und die unaufgeregte Boshaftigkeit. Am Sonntagabend trat sie auf Einladung des s‘Maximilianeums im Stadttheater auf.

Da schreibt man einen Text, versucht ihn mit knackigen Überleitungen – beispielsweise „und dann“ – zu dekorieren ... „Und plötzlich ist man Romanautorin.“ Die 37-jährige Wienerin Stefanie Sargnagel bietet dem Publikum einen kleinen Prolog, wie das bei ihr so war, am Anfang: ihre Postings bei Facebook und Twitter, die immer mehr Anklang fanden. Erste Bücher, genannt Tagebuch-Aufzeichnungen, gefüllt mit Callcenter-Monologen und Postings über „Hyäne Fischer“. Comic-Arbeiten, Theaterstücke. Bis dann Rowohlt anklopft und 2020 Sargnagels „Dicht“ rausbringt. Ein „autofiktionaler Roman, das meiste stimmt“, sagt sie. Obwohl sie im Vergleich zu früher, „ganz stark bieder geworden“ sei. Früher, da forderte Sargnagel, den Nazi-Hippis, kurz „Nippies“, doch bitte in die „Klangschale zu scheißen“. Was im Stadttheater eine Besucherin veranlasst, um eine etwas differenziertere Betrachtung zu bitten. „Dafür bin ich nicht so geeignet“, kontert die Österreicherin mit liebevoller Stimme. Es scheint ein typisch österreichisches Talent zu sein, Ironie so dreist verdeckt mitmeinen zu können.

Wenn Sargnagel aus dem Roman liest, geht diese böse Spontaneität lesungsbedingt etwas verloren. Und das raubt den Texten der Österreicherin den Funken, der Postings-Leser so gern überrascht auflachen lässt. Gut, dass Sargnagel das weiß – und ihre Lesung immer wieder mit launigen Erklärungen ergänzt. Zum Beispiel über das ihr anklebende Bild des „armen Arbeiterkindes“ – eine Falle für die Lektorin, die im Klappentext deshalb die Schule ins Proletenviertel schiebt; oder dass sie „mit Heterosexualität gestraft ist“ und lange Zeit dachte, sie müsste die Jungs von ihrer Klugheit überzeugen; dass Sargnagel in ihrer Kifferphase so unglaublich fit war, weil sie ständig klischeegemäß Hacky-Sacks treten oder Diabolos variantenreich jonglieren musste; oder gar das weltanschauliche Schwelgen im früheren „Zigaretten- und Bierkommunismus“, der leider verlorengeht, wenn die ersten Erbschaften anstehen. In der Wortwahl immer wieder die eingeflochtene Derbheit mit viel „Arsch“ und Hure“ – vom Vater aufgeschnappt, sagt sie – und die im Wienerischen immer noch liebevoll klingt

Und ja, auch im gelesenen Text funkelt‘s, beispielsweise wenn Sargnagel im Psilocybin-Rausch Amsterdam verpasst, aber Grashalme tanzen sieht. Vor allem glitzern aber ihre Beschreibungen des ‚Milieus‘ und seiner Protagonisten. Bezirksalkoholiker Hugo, der schielende Elektriker, stets im Blaumann, obwohl er arbeitslos ist. Haupt-Figur Aids-Michi, der schwebend bei Wirtin Waltraud, auch sie ein Zwitter aus Güte und Häme, in der Ecke die „dickflüssigen Reste“ zu essen bekommt – Ekel und Humor im Wienerischen immer effektiv kombiniert. Michi, dessen Wohnung zum Jugendzentrum wird, „aber ohne Pädagogen und mit Drogen“. Michi, der im psychomanen Rausch Schlaues von sich gibt: „Zukunft ist, die Vergangenheit vor vollendete Tatsachen zu stellen.“

Sargnagel fängt mit Charme, angeknackst von kühler Distanz. Da sind viele Lacher. Aber bis auf die erste Reaktion auf die Zwischenruferin ist ein Abstand zwischen der Autorin und ihrem Publikum zu spüren. Mit einem „Dankeschön, das war‘s“ geht Sargnagel ab und kommt auch, trotz anhaltendem Applaus, nicht nochmals auf die Bühne. Man könnte dazu auch „wienerischer Abgang“ sagen.

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