1. kreisbote-de
  2. Lokales
  3. Landsberg

Mit Dampfer über A96

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

null
Daniel Hahn (rechts) rettet die MS Utting vor dem Verschrotten: Gestern wurde sie aus dem Ammersee gehoben und sollte nach München-Sendling transportiert werden. © Bahnwärter Thiel

Utting/Stegen – Die Regelaltersrente, die derzeit schleichend auf 67 Jahre ansteigt, gilt auch für die MS Utting – seit 1950 tuckerte sie über den Ammersee und beförderte Passagiere bei Kaffee und Kuchen, nun geht sie in ihren verdienten Ruhestand. Dass sie jedoch nicht verschrottet wird, verdankt sie ­Daniel Hahn, der sich mit seinem Verein ­„Wannda“ dem Ammersee-Dampfer angenommen hat. In einer spektakulären Transport-Aktion wurde der Dampfer aus dem See gehievt und – sofern der Plan aufgegangen ist – in der Nacht auf Mittwoch, 22. Februar, nach München-Sendling gefahren. Dort findet die MS Utting fortan ein neues Zuhause – auf einer Eisenbahnbrücke.

„Wannda“ hat sich zur Aufgabe gemacht, Raum für Kunst und Kultur zu schaffen. Da das Platzangebot in München jedoch sehr begrenzt ist, liegt der Fokus des Vereins seit Jahren auf Brachflächen, die vielfältig bespielt werden: Ungenutzte Zirkuszelte oder Jahrmärkte werden in Angriff genommen und als Kultur-Schauplätze reaktiviert. Als Daniel Hahn erfuhr, dass die MS Utting verschrottet werden soll, setzte er sich eine schier unglaubliche Rettungsaktion in den Kopf: Irgendwie sollte das Wassergefährt aus seinem Terrain gehoben und in München an neuer Stelle möglichst originalgetreu als Kultur-Lokalität wieder aufgebaut werden.

Bei der Stadt München stieß Hahn mit seinem Plan auf offene Ohren. Allen voran SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor war auf Anhieb Feuer und Flamme: „Das ist ein Projekt mit viel Charme und Esprit, das weit über die Münchner Stadtgrenzen hinaus strahlen wird.“ Bei der Suche nach dem geeigneten „Hafen“ in der Landeshauptstadt kristallisierte sich schnell Hahns Favorit heraus, der letztendlich auch den Zuschlag erhielt: Eine stillgelegte Eisenbahnbrücke an der Lagerhausstraße in München-Sendling. Dort sieht ­Daniel Hahn für die Passagiere den selben Zweck vor wie zu Ammersee-Zeiten: Ein Ort, an dem Menschen zu Kaffee und Kuchen zusammen kommen, Kultur geboten ist und man den Blick schweifen lassen kann – fortan jedoch über Hahns Heimat Sendling und nicht mehr über den Ammersee. Ob der Angebotsschwerpunkt perspektivisch auf der Gastronomie oder der Kultur liegt, lässt der 26-jährige Initiator offen: „Wir werden beobachten, welche Besucher langfristig kommen.“

Zunächst stand jedoch der dreitägige Umzug auf dem Programm: Schon am Montag wurden die insgesamt drei Kräne in Stegen aufgebaut, die das Boot in zwei Teilen aus dem Wasser heben sollen – zunächst das mit 15 Tonnen vergleichsweise leichte Oberdeck, dann den schwereren, 37 Meter langen Rumpf. Am gestrigen Dienstag wurde zunächst das Oberdeck verladen, ehe die Arbeiten für den Rumpf begannen: Bei Letzterem standen auch Lokal­matadoren im Mittelpunkt, denn die Wasserwacht aus Buch am Ammersee sagte ihren ehrenamtlichen Einsatz zu: Wie Jens Möller von der Wasserwacht in der vergangenen Woche ankündigte, rücke sein Team mit voraussichtlich sieben Leuten an, darunter einige Taucher. Diese bringen zwei Gurte am Bug, zwei am Heck an. An so einer aufwändigen Auswasserung beteiligt zu sein, ist für Möller „etwas absolut Einmaliges. Wir freuen uns riesig darauf.“

Sobald beide Teile auf die beiden Zugfahrzeuge verladen sind, soll die Aktion ein weiteres spannendes Kapitel schreiben (nach KREISBOTEN-Redaktionsschluss): Über die A96 und die A99 rollt der Tross nach Sendling. Um unterwegs nicht anzuecken, werden temporär Richtungsweiser entfernt und in München sogar eine ganze Ampelanlage ausgegraben werden.

Obwohl die gesamte Operation an abenteuerlichen Manövern kaum zu überbieten ist, steckt für ­Stefan Schmidbauer, dessen Unternehmen die Autokräne bereitstellt, reichlich Routine im Transport. Schon die MS Starnberg und die MS Augsburg hatte er ausgehoben, dennoch ist es für ihn „ein aufregendes Projekt“. Einer der größten Skeptiker hingegen ist noch der Initiator selbst: Obwohl er sämtliche Schritte bis ins Detail geplant hat, ist er vorsichtig: „Ich versuche, mich nicht zu früh zu freuen. Noch steht das Boot nicht auf der Brücke“, so Hahn letzte Woche. Seit heute Morgen dürfte sich sein Nervenkostüm entspannen: Letzter Planschritt ist das Anheben des Oberdecks auf den Rumpf, sodass die MS Utting ab etwa 11 Uhr zusammengefügt auf der Brücke liegen sollte.

Marco Tobisch

Auch interessant

Kommentare