Recyclinghof jetzt in Kreis-Hand

Kaufering – Wie Bürgermeister Erich Püttner zuletzt bekanntgab, wird der Recyclinghof zwischen Landsberg und Kaufering künftig nicht mehr von der Marktgemeinde betrieben sondern vom Landkreis. Viele Bürger entsorgen hier regelmäßig ihren Bauschutt, alte Fliesen oder Dachplatten. Was sie wohl oftmals nicht wissen: Sie befinden sich an einem geschichtsträchtigen Ort, denn während des Zweiten Weltkriegs nahm das „Weiße Haus“ eine bedeutsame Funktion ein. Erst Ende der 80er Jahre funktionierte der damalige Bürgermeister Klaus Bühler die zwischenzeitlich brachliegende Fläche zum Recyclinghof um.
Perfekt getarnt unter den Bäumen, eine gute Anbindung an die Eisenbahn und unmittelbar an einem Fluss gelegen: Im Frauenwald schienen die Vorzeichen 1938 für den Bau einer Rüstungsfirma – auslegt auf die Produktion während dem Kriegszustand – ideal. Nur ein Jahr später begann deshalb die als Handlanger für das Deutsche Reich fungierende Dynamit AG mit den Bauarbeiten. Obwohl im September 1940 2.600 Arbeiter beschäftigt gewesen sein sollen, zögerte sich die Fertigstellung aufgrund einer zeitweiligen Unterbrechung des Baus hinaus. Noch bevor die Fabrik die geplante Produktion von Nitrozellulose aufnahm, fiel das gesamte Gelände im August 1945 in amerikanische Hände.
Das „Weiße Haus“, wo heute der Recyclinghof zu finden ist, wurde im Rahmen des Fabrikbaus ebenfalls errichtet und sollte für die Dynamit AG eine tragende Rolle einnehmen: „Von dort führten Rohre ins heutige Landsberger Industriegebiet, wo die Produktionsstätten mit Lechwasser aus Kaufering beliefert werden sollten“, berichtet Manfred Deiler von der Landsberger Holocaust Gedenkstätte. Dass das „Weiße Haus“ heute noch steht, ist der Unvollendung des Baus zu verdanken: So sahen die Amerikaner in den Anlagen keine Gefahr und verzichteten auf deren Sprengung.
Als Josef Mayrock, heute Umweltingenieur, 1988 bei der Gemeinde anfing, wurde die Fläche um das „Weiße Haus“ gerade umfunktioniert. „Damals stand nur das Gebäude, eine Kiesfläche und ein paar Container“, erinnert sich Mayrock zurück. Kurz zuvor – am 31. Oktober 1987 – hatte der zu dieser Zeit frisch ins Amt gewählte Bürgermeister Klaus Bühler begonnen, auf der Fläche einen neuen Recyclinghof für seine Gemeinde zu installieren.
Der Kauferinger Recyclinghof war, laut Mayrock, einer der ersten seiner Art und „Urzelle für wirkliches Recycling“. Denn man habe bereits damals großen Wert darauf gelegt, dass die angelieferten Wertstoffe auch wirklich aufbereitet werden. Beispielsweise wurde daraus, so Mayrock, in einer Friedberger Firma Kunststoffgranulat hergestellt. Diese Vorreiterrolle wurde 1993 mit der Auszeichnung „Der vorbildliche Wertstoffhof“ des Bayerischen Umweltministeriums ausgezeichnet. Der Kauferinger Recyclinghof stach damals als Preisträger im Bereich „Kreativität und Innovation“ hervor. Er galt neben den anderen Preisträgern als „exemplarisch und richtungsweisend“, weil die ausgezeichneten Wertstoffhöfe auch in allen anderen Kategorien einen „hohen Standard“ vorweisen könnten, hieß es von der Jury.
Heute wird der Platz von zahlreichen Bürgern für die Abfallentsorgung genutzt. Sie entledigen sich dort ihres Elektronikschrotts, Pappe, Glas oder beispielsweise Altkleidung. Kauferinger haben ferner die Möglichkeit, dort jährlich bis zu 200 Liter Bauschutt abzugeben – die Helfer vor Ort prüfen die Ortszugehörigkeit. Betreiber ist seit dem Jahr 2017 aber nicht mehr die Marktgemeinde selbst, sondern der Landkreis Landsberg.
Personal bleibt
Was nach einem langen bürokratischen Rattenschwanz klingt, ist nach Aussagen von Bürgermeister Erich Püttner eigentlich gar keine so große Veränderung: „Auf Kaufering hat dieser Wechsel kaum finanzielle Auswirkungen.“ Vorher hätte zwar der Markt die Personalkosten übernommen, wurde jedoch vom Landkreis refinanziert. Die Organisationskosten, die Kaufering vorher hatte und die vom Landkreis mit etwa 3.000 bis 4.000 Euro übernommen wurden, würden jetzt wegfallen – die Organisation selbst aber auch.
Und welche Veränderungen birgt der Betreiberwechsel für die Angestellten? Auch hier gibt es keine Auswirkungen: Die zehn Mitarbeiter, die auf dem Arbeitsplan stehen, finden auf dem Recyclingplatz auch weiterhin Arbeit – und stehen zu denselben Öffnungszeiten zur Verfügung wie zuvor.
Marco Tobisch