60 Prozent der Menschen möchten zu Hause sterben – das ergab eine repräsentative Umfrage im Jahr 2016. Unter den pflegenden Angehörigen wünschen sich sogar 76 Prozent, ihr Familienmitglied bis zuletzt zu Hause zu betreuen. Das Sterben im Hospiz liegt mit 16 beziehungsweise acht Prozent weit dahinter. Und im Krankenhaus oder Pflegeheim möchte nur eine kleine Minderheit ihr Leben beenden. In der Praxis ist es jedoch nahezu umgekehrt – es sterben weit mehr Menschen in Krankenhäusern und Heimen als es sich laut Umfrage wünschen. „Das Thema ist stark institutionalisiert“, so Schraut. „Sterben in der Familie ist nicht mehr üblich.“
Wie also dem begegnen? Wichtig ist dafür zunächst die Erkenntnis, dass der Mensch auch dann autonom ist, wenn seine Fähigkeit zur Selbstbestimmtheit eingeschränkt ist. Als eine Möglichkeit, die eigenen Wünsche erfüllt zu wissen, auch wenn man sie nicht mehr aussprechen kann, gilt die Patientenverfügung. Hier ist jedoch Vorsicht geboten und Beratung beim Abfassen dringend erforderlich. Denn, so Schraut, auch die Patientenverfügung sei keine Garantie dafür, dass alles so passiert, wie der Betreffende es möchte.
Noch einmal anders stellt sich das Thema Sterben für Menschen mit Demenz dar. Schraut hat hierzu im Rahmen einer qualitativen Studie Angehörige und Pflegende von verstorbenen Demenzpatienten befragt. Es zeigte sich, dass auch diese ihr Leben auf eine bestimmt Art bilanzieren und dass das Sterben schwierig und quälend wird, solange letzte Angelegenheiten nicht geregelt sind.
Deshalb ist eine sensible Begleitung durch eine Betreuungsperson für ein würdevolles Sterben umso wichtiger. Sie ist im besten Fall in der Lage, die Bedürfnisse des Patienten differenziert wahrzunehmen. Erst kurz vor dem Tod tritt zuweilen eine größere geistige Klarheit ein. Dafür könnte ein Anstieg des Stresshormons Cortisol im Gehirn verantwortlich sein. Häufig kommt es dann auch zur sogenannten „oralen Zufuhrverweigerung“ - Flüssigkeit und Nahrung werden abgelehnt.
Erschreckend ist, dass laut einer Untersuchung von 2005 fast zwei Drittel der Demenzkranken mit mittlerem oder hohem Leidensdruck sterben – dies, obwohl die Palliativmedizin mittlerweile eigentlich eine völlige Schmerzfreiheit ermöglicht. Doch Menschen mit Demenz können ihre Schmerzen nicht mehr verbal mitteilen – stattdessen kann das Leiden sich in zunehmender Verwirrtheit, Agitation oder apathischem Rückzug äußern. Deshalb fordert Schraut mehr wissenschaftliche und praktische Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten.