Sinn einer solchen Therapie ist, den physischen Normalzustand beim Menschen wiederherzustellen, ihm zu ermöglichen, seiner Arbeit nachzugehen und sein Verhalten zu kontrollieren. Um das zu erreichen, muss der Patient weiterhin Opoide einnehmen – aber unter Aufsicht und mit Medikamenten. Diese „beruhigen“ das Gehirn, der „Flash“ würde vermindert, erklärt Florian. Damit falle der Sucht-, aber auch der Beschaffungsdruck weg. Bei diesem kontrollierte Einnehmen des Opioidswerde dessen Dosis verringert – mit dem Ziel, ganz mit der Einnahme aufzuhören.
Die Entscheidung für die Substitution kam für Florian an eindem Punkt, an dem der erkannte: „Ich schaffe es nicht allein.“ Er hatte einen Ausbildungsplatz, konnte aber nicht mehr regelmäßig seinem Job nachgehen. „Ich hatte keine Kraft mehr, schaffte es nicht mehr, meine Alltagsaufgaben zu bewältigen“, erzählt er. Sich einzugestehen, dass er professionelle Hilfe benötige, habe drei Jahre gedauert. Und das sei „eigentlich die schlimmste Zeit“ gewesen, in der er seinem Umfeld viel Leid zugefügt habe.
Der Entzug von Opiaten, den er immer wieder für sich probiert habe, löse extreme Depressionen aus. Das habe schließlich dazu geführt, immer wieder „was zu nehmen“. Am Ende habe er den Anschluss zu dem System, in dem er lebe, verloren.
Aber die gewünschte professionelle Hilfe zu bekommen, ist nicht leicht, berichtet Susanne Quill von der Suchtberatungsstelle Condrobs in Landsberg. Es gebe viel zu wenig substituierende Ärzte, besonders in ländlichen Regionen. Als einzige Ärztin im Landkreis bietet Dr. Birgit Ablaßmaier eine solche Therapie an. In ihre Praxis kommen Patienten, die nicht selten gute 140 Kilometer fahren, sagt Quill. Sie kämen aus Memmingen, Mindelheim oder eben Ingolstadt. Viele Betroffene würden aber auch erst gar keinen substituierenden Arzt finden. Das liege an der Struktur des Kleinstädtischen, an Vorurteilen und Unsicherheiten. Das weiß auch Florian: „Als ich meinem früheren Hausarzt von meinem Problem erzählte, hat er erschrocken reagiert und mich sofort an die nächste Klinik verwiesen.“ Im Rahmen des Aktionstages habe man gezielt Ärzte angesprochen, um auf die Behandlungsmöglichkeit aufmerksam zu machen, meint Quill. Die Substitution müsse salonfähiger gemacht werden.
Durch Condrobs kam Florian ins Betreute Wohnen, wurde bei Jobsuche und Bewerbungsschreiben unterstützt – und bekam ‚neuen Input: „Gemeinsam schauen wir, wo und wie wir helfen können, um den Betroffenen zu stabilisieren“, sagt Quill. Parallel dazu laufe die ärztliche Substitutionsbehandlung.
Anfangs musste Florian täglich die Praxis aufsuchen, um sein Substitut zu erhalten. „Dass man es mit nach Hause bekommt, muss man sich erarbeiten“, sagt er. Der Konsum werde überprüft, auch mittels Urinprobe. Mittlerweile bekommt er das „Take-Home-Rezept“: Nur noch ein Termin pro Woche bei der Ärztin, der Rest läuft über Rezept.
In Deutschland gibt es laut Quill rund 165.000 Opiatabhängige, die Dunkelziffer liege höher. Aber nicht mal die Hälfte sei substituiert. Etwa 160 Menschen aus dem Landkreis zwischen 21 und 60 Jahren kämen zu Condrobs in die Beratung. Die Sucht ziehe sich durch jedes Alter und alle sozialen Schichten. Man sei hier im Landkreis die einzige Beratungsstelle – und das mit nur zwei Mitarbeitern. Viele Betroffene schrecken vor Substitution zurück, weiß Quill: Es ist keine ‚schnelle‘ Lösung, dauere oft Jahre. Viele hätten auch Angst, abgestempelt zu werden.
Für ihn sei die Substitution „die Rettung“ gewesen, sagt Florian. Mittlerweile gehe es ihm „wunderbar“, er arbeite sogar wieder regelmäßig. Aber er habe das auch wirklich gewollt – ein normales Leben führen, und das sei wichtig. Denn dazu gehöre auch, das Umfeld gründlich ‚umzusortieren‘. „Irgendwann bin ich soweit, das Substitut ganz loswerden zu können“, ist sich Florian sicher.