Teststadt für »intelligente Mobilität«?

Landsberg – Wie kann man erreichen, dass die Bürger und Besucher der Lechstadt im Jahr 2035 problemlos, zeitsparend und umweltgerecht mobil sind? Das war die Kernfrage des ersten Landsberger Zukunftsforums, das am vergangenen Donnerstag im Historischen Rathaus mit 50 Bürgern und zwei Referenten stattfand. Das Ergebnis: Es gibt kaum ein kommunales Feld, das keine Auswirkungen auf Verkehrsbeziehungen hat – das Thema muss in den kommenden Jahren allgegenwärtig sein. Auf dem Weg dorthin könnte sich Landsberg zum „offenen Testfeld für intelligente Mobilität“ entwickeln.
Dies schlug Dr. Reinhard Kolke vor, der das ADAC-Testzentrum Landsberg leitet und dem Mobilitäts-Strategieteam des Projekts „Unser Landsberg 2035“ angehört. In seinem Impulsvortrag ging Kolke von der Konstante „Auto“ aus. In ländlichen Räumen, zu denen der Landkreis Landsberg mit 146 Einwohnern pro Quadratkilometer zähle, werde das Auto besonders stark genutzt. Das ändere sich, wie bundesweite Statistiken zeigten, auch mit zunehmendem Alter nicht. Wer über 75 sei, sitze ähnlich oft im Auto wie jemand mit 55; der Unterschied sei nur, dass viele Senioren nicht mehr selbst fahren, sondern sich fahren oder mitnehmen lassen. Die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs bleibe in ländlichen Regionen nahezu konstant niedrig; die Fahrradnutzung nehme mit zunehmendem Alter stark ab.
Ziel müsse es daher sein, die Mobilitätssicherung im ländlichen Raum anders zu organisieren als bisher. Es komme darauf an, ehrenamtliche und privatwirtschaftliche Pkw-Mitnahmeverkehre zu unterstützen, flexible Bedienformen wie Anruf-Sammeltaxis oder Rufbusse zu stärken und die Verknüpfung der Mobilitätsoptionen zu gewährleisten. Besonders wichtig seien auch eine funktionierende Nahversorgung sowie die Abstimmung der Kommunen untereinander, also ein „interkommunales Mobilitätsmanagement“.
Mehrere Verkehrsträger
Ob auf dem Land oder in der Stadt: Das Stichwort heiße „Multimodalität“ – Bürger müssten in der Lage sein, auf ihrem Weg zum Ziel mehrere Verkehrsträger nacheinander zu nutzen. Das erfordere eine barrierefreie Infrastruktur. Außerdem müssten die Potenziale des Radverkehrs ausgeschöpft und die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs weiterentwickelt werden. Multimodalität erfordere auch, dass Bürger ihre Fahrten von Tür zu Tür unter Berücksichtigung von Fahrzeit, Preis und Umweltfreundlichkeit effizient planen können. Hilfreich wäre dazu eine „Mobilitätskarte“, die es erlaubt, alle Verkehrsmittel zu nutzen. In der Stadt komme es vor allem darauf an, den Lieferverkehr zu reduzieren, kommunale Fahrzeugparks – etwa durch alternative Antriebe –zu optimieren, im Nahverkehr neue Bezahlsysteme einzuführen, Ampelanlagen besser auf fließenden Verkehr abzustimmen und die Attraktivität des Fahrrads zu steigern.
Sicher radeln
Auch der stellvertretende Landesvorsitzende des Fahrradclubs ADFC, Walter Radtke, vertrat bei seinem Vortrag die These, die Mobilität der Zukunft sei multimodal. Die Bürger würden auf ihren Wegen mehrere Verkehrsmittel nutzen und die Politik müsse erreichen, dass das Fahrrad in diesen Mix passt. Radtke schilderte, wie eine „fahrradfreundliche Kommune“ entstehen kann; das sei eine Kommune, in der die Bürger „Fahrradfahren als sicher und komfortabel empfinden“.
Bei „Tempo 30“ innerorts und geringem Autoverkehr sei in Sachen Sicherheit nichts weiter zu tun. Wo Tempo 50 oder gar mehr gelte, seien mindestens zwei Meter breite Radwege nötig. Radtke verdeutlichte anhand von Fotos, dass die Radverkehrsführungen in Landsberg teilweise unzureichend seien. Trotz Lkw-Verkehr fehlten sie oft ganz, wie an der Carl-Friedrich-Benz-Straße und der Neuen Bergstraße. In vielen Fällen seien sie viel zu schmal wie an der Katharinenstraße oder der Breslauer Straße. Zum „Als-Komfortabel-Empfinden“ gehörten auch möglichst überdachte Abstellanlagen.
Infrastruktur und Service
In den Niederlanden gebe es oft eigene Straßenführungen für Radler, „echte“, nämlich ausreichend breite und farblich abgesetzte, Schutzstreifen, sowie ganze Straßen, in denen Autos lediglich „zu Gästen“ erklärt würden. Auch in Sachen „überdachte Fahrradgaragen“ sei Holland weit vorn. Radtke zeigte das Foto eines Parkhauses in Utrecht, das Platz für 12.500 Fahrräder bietet. Die Stadt Leiden sei praktisch eine reine Fahrradstadt.
Um eine Kommune fahrradfreundlich zu machen, sei nicht nur die Infrastruktur zu verbessern. Maßgeblich seien auch Information, Kommunikation und Service. Landsberg brauche dazu ein städtisches Internetportal „Radfahren“, eine gut lesbare Fahrradkarte und Bürgerinformationen zu Radverkehrsthemen. Wie wäre es beispielsweise mit einem runden Tisch Radverkehr und Radverkehrsbeauftragten? Radtke plädierte auch für Fahrradabstellanlagen an zentralen Stellen sowie an Quell- und Zielorten, unter anderem an Einstiegspunkten in den Nahverkehr, und Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme, etwa an der Neuen Bergstraße, in Bussen.
Reinhard Kolke berichtete, dass die Strategieentwickler der Stadt im Handlungsfeld Mobilität als Ziele bereits die Steigerung des Anteils von Fußgängern und Radfahrern, die Erhöhung des Anteils von Nutzern des Nahverkehrs, die Verlagerung und verträgliche Abwicklung des Pkw-Aufkommens sowie die komfortable Verbindung zwischen den östlichen und westlichen Stadtteilen aufgenommen hätte; nun müsse man über die Details reden.
Technologie nutzen
Allerdings, so Kolke, ohne die großen Linien außer Acht zu lassen. Car Sharing, eMobilität, autonome Fahrzeuge, veränderte Konzepte der Personenbeförderung wie Uber und BlaBlaCar sowie weitere Trends müssten in die Strategie einfließen. Außerdem gelte es, vorhandene Technologie besser einzusetzen. Warum nutze man beispielsweise nicht Sensoren und WLAN, um anzuzeigen, in welchem Teil eines Zuges der meiste Platz ist? Warum zeige man nicht mit Informationssystemen aktuell an, welche Route die zeitsparendste ist? Die meisten Techniken seien bereits vorhanden; man müssen sie nur verknüpfen und für die Herausforderungen des Verkehrs einsetzen.
Landsberg könnte hierbei zum „offenen Testfeld für intelligente Mobilität“ werden. Stadt und Region hätten das Potenzial, um Ansiedlungen von Unternehmen gezielt im Bereich Intelligente Mobilität, Digitalisierung, neue Antriebe und Energietechnik zu entwickeln. Die Stadt könne sich, in Kooperation mit existierenden und neuen Unternehmen, als „kleine Modellstadt“ (small city) für städtische und ländliche Mobilität entwickeln. Kolkes Vision: „Hier werden Lösungen zur intelligenten Mobilität entwickelt, gezeigt und ausprobiert“.
Werner Lauff