Letztlich entschied sich die Mehrheit des Gremiums gegen ein Ratsbegehren. Damit können die wahlberechtigten Bürger des Landkreises am 4. Dezember darüber abstimmen, ob sie dafür sind, „dass kein Zentralkrankenhaus gebaut wird, sondern dass die beiden Krankenhäuser in Schongau und Weilheim langfristig betrieben werden (...) “, wie die Fragestellung des Aktionsbündnisses lautet. Wer mit Ja stimmt, will demnach beide Häuser erhalten. Wobei in der Sitzung mehrmals von verschiedenen Personen geäußert wurde, dass dies schwierig wird. Kreisrätin Enders sagte zum Beispiel: „Mit der jetzigen Bundesfinanzierung können wir uns beide Häuser nicht leisten.“ Wer bei der Befragung Nein ankreuzt, ist für ein Zentralklinikum, das womöglich in Form eines Neubaus entstehen würde.
Das Bürgerbegehren sah Markus Bader (SPD) als „Demokratiegewinn“. Auch andere Kreisräte äußerten sich positiv. Allerdings schien auch große Einigkeit darüber zu herrschen, dass der Zeitpunkt wohl nicht der beste ist. Dr. Kerstin Engel (Grüne) meinte jedoch: „Wir haben es herausgefordert, weil wir ein Jahr lang herumgebastelt haben.“ Das hätte für viel Verunsicherung bei den Bürgern gesorgt.
Der falsche Zeitpunkt ist es wohl deshalb, das war in der Sitzung rauszuhören, weil sich noch alles in der Prüfungsphase befindet. „Wir haben noch gar nicht alle Fakten auf dem Tisch“, äußerte sich Manuel Neulinger (Grüne). Vom Kreistag wurde dafür ein Gutachten zum Thema Zentralklinik in Auftrag gegeben. Dieses hätte dem Gremium eigentlich bei der verschobenen Sitzung Ende September vorgestellt werden sollen. Stattdessen liegt es jetzt verschlossen in der Schublade. Und da wird es bis nach dem Bürgerbegehren auch nicht rausgeholt, denn wie Leis erklärte, dürfe rein rechtlich mit den Maßnahmen des Gutachtens nicht weitergemacht werden, solange das Bürgerbegehren nicht durchgeführt wurde.
Bei einigen Kreisräten stieß das auf Unverständnis. „Wir haben doch erst heute beschlossen, dass das Bürgerbegehren zulässig ist“, zeigte sich Falk Sluyterman (SPD) verwundert. „Dann hätte man uns doch im September noch das Gutachten vorstellen können.“ Auch Manuela Vanni (ÖDP) konnte das Vorgehen nicht verstehen.
Landrätin Andrea Jochner-Weiß erläuterte allerdings, dass das Gutachten gar nicht fertig sei. An dem Tag, an dem die Unterschriften zum Bürgerbegehren im Landratsamt eingereicht wurden, habe der Aufsichtsrat der Krankenhaus GmbH beschlossen, die letzte Phase des Gutachtens vorerst nicht durchzuführen. Juristisch sei das zwar möglich gewesen, ergänzte Leis. Aber man habe sich eben dagegen entschieden.
Auch ohne Gutachten haben eine Reihe von Chefärzten der Krankenhaus GmbH allerdings schon jetzt ihren Wunsch geäußert. Neun von ihnen richteten ein Schreiben an die Mitglieder des Kreistags. Darin wird folgendes Ziel formuliert: „Zusammenführung der Krankenhaus-Standorte Weilheim und Schongau an einem zentralen Ort unter kommunaler Trägerschaft.“ Man habe als Chefärzte die „Verantwortung dafür, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu bieten und gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis Weilheim-Schongau moderne und qualitativ hochwertige medizinische Leistungen zu ermöglichen.“
Allerdings gebe es derzeit „Probleme, mit denen wir als kleine Krankenhäuser täglich zu kämpfen haben“: ein „sich stetig verschärfender Fachkräftemangel“ und „immer mehr Strukturvorgaben“ auf Bundes- und Landesebene. Letztere seien „mit unserer aktuellen organisatorischen und strukturellen Aufstellung“ jedoch „kaum noch zu erfüllen“. Das Schreiben der Chefärzte wurde noch durch rund 50 Mitarbeitende unterstrichen, die vor der Kreistagssitzung die Räte mit Plakaten empfingen. Auch sie warben für ein Zentralklinikum. Unter ihnen war auch Peißenbergs Bürgermeister Frank Zellner, der in der Sitzung verlauten ließ: „Peißenberg sieht sich als idealen Standort für ein Zentralklinikum.“
Zellner war mit seinem Wunsch nach einem Zentralklinikum nicht alleine. Es schien, als stünde die Mehrheit hinter den Überlegungen, mit nur „einem Haus in die Zukunft zu gehen“, wie es Peter Erhard (CSU) formulierte. Lediglich Alexander Majaru (SPD) sprach sich für den Erhalt beider Häuser aus. Seiner Meinung nach sei noch nicht ausreichend geprüft worden, wie man beide Standorte halten könne. Dr. Maiken Winter sah zwar durchaus eine Notwendigkeit für eine Zentralklinik, wollte aber auf keinen Fall einen Neubau. Vielmehr solle einer der jetzigen Standorte ausgebaut werden.
Ansonsten hörte man in der Sitzung nur einvernehmliche Worte. Das könnte auch mit den eindrücklichen Ausführungen von Roland Engehausen zu tun haben. Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, die alle Träger von Krankenhäusern im Freistaat unter sich vereint, gab in der Sitzung einen Überblick über die Situation von Krankenhäusern bayern- und deutschlandweit. Zudem teilte er seine Einschätzung zur Lage im Landkreis. Dabei hatte er wenig Positives zu berichten. „Wir fahren das System gegen die Wand.“ – Personalmangel, Kostensteigerungen und eine Reduktion von Behandlungsfällen. Dies führe dazu, dass in Deutschland derzeit viele Krankenhäuser schließen. „Ich glaube auch, dass viele den Winter nicht überstehen werden.“ Dabei bezog sich Engehausen allerdings in erster Linie auf nicht-kommunale Träger. Die würden, wenn das Defizit zu groß wird, relativ schnell schließen. Als kommunaler Träger stehe der Landkreis allerdings im „Dialogprozess mit Bürgern“, lobte Engehausen.
„Der Landkreis unterstützt stark und vorbildlich seine Krankenhäuser“, fand der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft anerkennende Worte. Es würden nicht nur Löcher gestopft, sondern auch investiert. „Das ist eine Besonderheit. Man schaut auf Sie“, bezog er sich auf andere Einrichtungen. Allerdings schießt der Landkreis auch Jahr um Jahr große Summen zu. „Sie müssen aus diesem Defizitausgleich rauskommen.“ Wobei Engehausen dabei den Bund in die Verantwortung nimmt. Der müsse früher oder später an diesem „Systemfehler“ etwas ändern.
Engehausen sieht große Veränderungen in ganz Deutschland auf Krankenhäuser und Kliniken zukommen. Er sagte deutlich: „Wir werden die Fachkräfte nicht haben, um die aktuelle medizinische Versorgung zu halten.“ Der Pflegeaufwand müsse sich reduzieren, was den Wandel von stationär zu mehr ambulanten Maßnahmen bedeutet.
Engehausen machte deutlich, dass zwei Häuser im Landkreis nicht haltbar seien. Was den Standort einer Zentralklinik angeht, sagte er: „Ich bin kein Freund von Krankenhäusern auf der grünen Wiese, aber in diesem Fall ist es nachvollziehbar.“
Gegen Ende fand Engehausen noch aufmunternde Worte: „Wir sprechen hier über die Planung der Zukunft, nicht über Insolvenz oder Schließung.“ Ein Vorteil, den der Landkreis gegenüber zahlreichen anderen Trägern in Deutschland zu haben scheint.
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