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Schongau – Einst stand die vornehme Villa mutterseelenallein in einem großen Garten am Fuße des Südhangs der Stadtmauer und war für Spaziergänger ein wahrer Blickfang. Wenn man über den hohen Zaun überhaupt einen Blick erhaschen konnte. Die Rede ist von der „Köhlervilla“ an der Bahnhofstraße. Oder sollte man sie „Linkvilla“ oder doch „Villa Hannes“ nennen? Jetzt dümpelt das schmucklos gewordene Bauwerk vor sich hin, seit sieben Jahren unbewohnt.
Bei einer der letzten Stadtratssitzungen bezeichnete CSU-Stadtrat Michael Eberle das unter „Köhler-Villa“ bekannte Gebäude als einen Schatz (wir berichteten). Viel wird über dieses Gebäude gemunkelt, gesprochen, diskutiert oder in Überlegungen gepackt. Nicht zu vergessen der große Garten, der sich westlich des Anwesens erstreckt und nach oben in Richtung Stadtmauer verläuft. Diese Kombination aus Villa und prachtvoll gestalteter Grünanlage suchte damals vor weit über 100 Jahren ihresgleichen.
Kaum ein Spaziergänger, der heute an dem Anwesen vorbeigeht, macht sich Gedanken über die Geschichte dieser einst so prachtvollen Villa. Schmucklos steht sie da, ihre Blütezeit in weiter Ferne. Nur ein großes ovales Blechschild erinnert an den Namen Köhler. Dass die Villa erhalten bleibt, ist eigentlich ein „Muss“ für die Stadt, die der derzeitige Besitzer der Villa ist.
Um sich damals so ein Anwesen leisten zu können, musste man schon einige Goldmark auf der hohen Kante haben. Und die hatte Thomas Hannes, der als Kaufmann seine Schäfchen im Trockenen wusste. Also packte er das Vorhaben Edelvilla an. Großzügig gestaltet, mit vielen Extra-Wünschen. 1899 ließ der vermögende Kaufmann den Prachtbau entstehen, dazu die parkähnliche Gartenanlage. „Reizend gelegen zwischen Bahnhof und der Stadt“, konnte man damals darüber lesen. Doch die Freude des Bauherrn währte nur kurze Zeit. Irgendwie war für den Kaufmann alles eine Nummer zu groß geraten, die „Villa-Hannes“ stand schon 1904 zur Versteigerung.
Dazu wurde ein großzügiges Exposé erstellt, welches viel über die Ausstattung vor allem der Villa verriet. „Im gothischen Style auf das Solideste und Gediegenste erbaut, mit allem Comfort der Neuzeit versehen“, so in der damaligen Beschreibung. Dann die Erklärung der Räume und Zimmer. Drei helle große Kellerräume liegen im Souterrain. Dabei wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Kellerräume trocken sind. Keinesfalls von Schimmel oder Fäulnis befallen.
Parterre und erster Stock ähneln sich in der Zimmeraufteilung. „Je vier herrliche, beheizbare Zimmer, dazu eine Küche, eine Speise mit Closet und zwei Balkone nach Süden und Osten“, so zu lesen. Wobei die Kombination der Speise mit Closet zum Schmunzeln verleitet. In der Mansardenwohnung sind drei freundliche Zimmer zu finden, in denen mit Öfen geheizt wird. Alle Räume weisen eine stattliche Höhe von 2,90 Meter auf.
Auf dem Stand der Zeit
Genau sind auch die verbauten Böden und Geländer beschrieben. Pinienholz für die Böden, gedrehtes Buchenholz mit Ahorngriffen für die Stiegengeländer, die Stufen aus Eichenholz. Und der Hygiene zuliebe: In allen Etagen Wasserleitungen mit laufendem Quellwasser. Im Nebenbau untergebracht die helle Waschküche und ein „freundliches Badezimmer”. Daneben schließt ein Wäschetrockenraum an. In späteren Jahren der Pferdestall.
Auch in Sachen Gartenausstattung hatte sich Bauherr Thomas Hannes einigen Luxus geleistet. Im Ziergarten war neben dem Sommerhaus mit Storchennest ein Springbrunnen angelegt, dessen Fontäne fünf Meter hoch trieb. Im oberen Teil gönnte sich Hannes noch ein idyllisches Blockhäuschen. Natürlich war alles in Villa und Außenbereich elektrifiziert. „15 elektrische Flammen mit je 16 bis 25 Kerzenstärken“, so ist die Leuchtkraft exakt beschrieben.
In wechselndem Besitz
„Dieses Besitzthum, wohl die schönste Villa in Schongau“, so im Exposé, hat einige Male den Besitzer gewechselt. Nach dem Bauherrn Thomas Hannes ist in den Unterlagen Friedrich Baldauf zu finden, der das Anwesen 1910 erwarb. Schon zwei Jahre später wechselte der Besitz an Veronika Wagner. Wiederum sechs Jahre später, also im Jahre 1918, erwarb Johannes Link die Villa mit 1,65 Tagwerk großem Garten.
Johannes Link kam als Käsermeister aus Ulm in unsere Gefilde. In Denklingen setzte er seine Duftmarken in Sachen Käserei, dann war er in Schongau Mitgründer der Molkerei-Genossenschaft. Später wurde daraus das Erste Bayerische Butterwerk. Link verstarb früh, seine Gattin Luise wurde die Erbin von Villa und Besitztum.
Beider Tochter Liesl heiratete den Braumeister Wilhelm Köhler, der für den Gerstensaft in der Lechstadt sorgte. Im Gebäudekomplex am Frauentor (heute Gürtnerhaus) wurde gebraut, daneben befand sich das große Fasslager, in der Gaststätte Post (später Sonne) neben der Posthalterei verköstigt und der Durst gelöscht. Und die Feste wurden im großen Garten der „Köhler-Villa“ gefeiert, die hoffentlich bald wieder besseren Zeiten entgegensieht.
Hans-Helmut Herold