Deutlich mehr als ein Haus

Steingaden – Die evangelische Bildungs- und Erholungsstätte Langau bei Steingaden ist mehr als nur ein Haus. Das machten die Redner, unter ihnen die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm, anlässlich der Einweihungsfeier deutlich. In sechs Jahren Planungs- und Bauzeit wurde unter anderem das 400 Jahre alte Haupthaus an die Erfordernisse der heutigen Zeit angepasst.
„Eigentlich müssten wir zumachen“, erinnert sich Geschäftsführer Peter Barbian noch an das Fazit des Gesprächs, das er vor einigen Jahren mit dem Kreisbrandrat in der Langau hatte. Stellenweise gebe es keinen zweiten Fluchtweg und der erste entspreche nicht unbedingt den Vorschriften, so der damalige Tenor.
In der Bildungs- und vor allem auch Erholungsstätte für Familien samt Kindern mit und ohne Behinderung sowie für Erwachsene mit Einschränkungen ein Unding. Das heiße doch aber nicht, dass eine sofortige Schließung unumgänglich sei, rekapituliert der Leiter der Langau das Gespräch von einst. Könne man denn da nicht etwas machen? Man konnte.
Was, das durften jetzt die zahlreichen Ehrengäste selbst in Augenschein nehmen, nachdem der evangelische Pfarrer Johannes Habdank gemeinsam mit seinen Amtskollegen die Langau gesegnet und übergeben hatte.
Vom Pfadfinderlager zur Begegnungsstätte
Die Langau gibt es seit knapp fünf Jahrzehnten. Damals hatte Hedwig Döbereiner die alte Klosterschwaige erworben und das Haupthaus aus dem Jahre 1594 für Pfadfinderinnen zu einem Bundeslager umbauen lassen. Damals schon war der Gedanke geboren, hier eine Stätte der Begegnung zu machen, insbesondere auch für Menschen mit Behinderung.
Sie stehen noch immer im Mittelpunkt der Arbeit, insbesondere um sie und ihre Angehörigen in belastenden Lebenslagen zu unterstützen. Aber auch auf der Familienerholung und -bildung liegt ein Fokus.

Seit der Einweihung 1969 habe man, ließ Peter Barbian die Geschichte des Hauses Revue passieren, die Langau kontinuierlich erweitert und gepflegt. Zuletzt aber habe die Tagungs- und Bildungsstätte nicht mehr den heutigen baulichen Anforderungen und auch dem heutigem Komfortbedürfnis entsprochen. So waren der Brandschutz und die Energieeffizienz ebenso ein Thema wie die Barrierefreiheit, bei der sich in den vergangenen Jahren viel getan hat.
Aber auch an anderer Stelle habe man immer wieder improvisieren müssen, so der Geschäftsführer gegenüber dem Kreisboten. Etwa bei der Arbeit mit Kindern, die zu Selbstverletzung neigen. „Dann haben wir schon einmal ein ganzes Zimmer ausgeräumt und mit Matratzen gepolstert“.
Alles, damit Familien einmal im Jahr einen gemeinsamen Urlaub unternehmen können; sich die Geschwisterkinder wieder wahrgenommen fühlen; auch die Eltern mal ein paar Minuten Zeit für sich allein haben im Urlaub, ihr Kind gut behütet wissen und ohne schlechtes Gewissen mit den anderen Geschwistern oder dem Partner einen Ausflug unternehmen können.
Gut angelegtes Geld
Dafür wurden nun über zehn Millionen Euro – Steuergelder zumeist, wie Barbara Stamm meint – investiert und „gut angelegt in dieses kleine Paradies des Verständnisses, der Ruhe und Geborgenheit“, so die Präsidentin des Bayerischen Landtags: „Die alte Dame im neuen Gewand strahlt wieder“. Immerhin 400 Jahre ist das Haupthaus alt. Brandschutz, Komfort und Barrierefreiheit sowie Denkmalschutz unter einen Hut zu bringen, kostete eine Stange Geld.
Stamm habe ein offenes Ohr für alle Anliegen bewiesen, wusste Christine Klein, die Vorsitzende des Aufsichtsrates der Langau. „Wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen“, habe die Politikerin, damals noch Sozialministerin, gemeint.
Ein Angebot, auf das man nun, angesichts der errechneten Kosten, gerne zurückkam. So flossen allein vom bayerischen Familienministerium drei Millionen Euro. Dieselbe Summe gab es noch einmal vom Bundesministerium. Auch die bayerische Landesstiftung förderte die Arbeiten mit 850 000 Euro. Weitere Gelder schossen die evangelische Kirche als Träger der Einrichtung, die Glücksspirale sowie das diakonische Werk zu. Gut 2,2 Millionen Euro brachte die Stiftung der Langau selbst auf, einen Sonderzuschuss gab es für den psychomotorischen Förderbereich für Kindern.
Neues Gewand und neue Aufgaben
Mit der umfassenden Modernisierung erhielt das Gästehaus ein neues Gewand: So wurde das alte Bauernhaus optimiert, saniert und modernisiert. 53 Zimmer mit eigenen, barrierefreien beziehungsweise -armen Bädern und WCs stehen zur Verfügung. Es wurden acht Familienappartements geschaffen, die den Gästen flexible Raumnutzung ermöglichen. Etwa bei Kindern mit Autoaggression, für die ein spezielles „Kaiserbett“ beschafft wurde.
Einmalig bislang in Deutschland ist auch der beschützende Bereich für Menschen mit Demenz. Mithilfe eines Transponderarmbandes wird sofort ein stiller Alarm ausgelöst, wenn der Gast ein bestimmte räumliche Grenze überschreitet und den nur der Betreuer oder Pfleger wahrnimmt.
Ohnehin wurde Wert darauf gelegt, dass die Arbeit, die hinter der Betreuung steht, nicht sofort sichtbar wird. So soll ein entspannter Urlaub für alle ermöglicht werden, bei dem keiner ausgegrenzt oder Behinderung zum Tabu wird.
Wie es Schauspielerin Jutta Kammann ausdrückte: von der Barriere zur Normalität, die noch allzu oft nicht gelebt wird in unserer Gesellschaft. Die 73-Jährige, bekannt als Schwester Ingrid aus der TV-Serie „In aller Freundschaft“, ist erste Botschafterin der Langau. Sie wurde anlässlich der Einweihung vorgestellt. Denn, so Kammann, noch immer wüssten viele Menschen nicht, dass es die Langau gebe. Deshalb sei sie nun das Gesicht der Bildungs- und Erholungsstätte.
gau