Bereits im Jahr 2020 wurde die Hindelanger Bildungsstätte durch das Energie- und Umweltzentrum eza! als klimaneutral zertifiziert. „Die Zertifizierung bedeutet allerdings nicht, dass tatsächlich kein CO2 mehr ausgestoßen wird. In den Bereichen, in denen dies nicht verhindert werden kann, werden Kompensationen gezahlt. Wir wollen uns aber nicht darauf ausruhen, Kompensationen zu zahlen, sondern unseren CO2-Ausstoß wirklich verringern“, beschreibt Martin Herz, Leiter der Jugendbildungsstätte, die Ausgangslage.
Mithilfe der vorliegenden CO2-Bilanzierung durch die eza! wurden so die einzelnen Hausbereiche genauer unter die Lupe genommen. „Die CO2-Bilanzierung macht deutlich, dass etwa die Hälfte der Emissionen auf die Verpflegung zurück zu führen sind. Und von den einzelnen Lebensmitteln machen die Emissionen, die von tierischen Produkten stammen, gut 60 Prozent aus“, erklärt Lena Behrendes, die als Bildungsreferentin für Nachhaltigkeit und Klimaschutz das Thema in der Jubi begleitet.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kristallisierte sich somit das Ernährungsthema als das Feld mit dem größten Handlungsbedarf heraus.
„Wir haben die unterschiedlichen Stellschrauben im Bereich der Verpflegung sehr genau beleuchtet und intern diskutiert“, erläutert Lena Behrendes. „Fest stand für uns, dass die Ernährung so nachhaltig wie möglich sein soll – gleichzeitig muss es aber natürlich wirtschaftlich machbar bleiben. Schließlich sind wir keine kommerzielle Gastronomie, sondern eine Jugendbildungsstätte, deren Angebote sich ganz überwiegend an wenig zahlungskräftige Gäste richten.“
Auf dieser Grundlage kamen man letztlich zu dem Ergebnis, dass die Lebensmittel vegetarisch und möglichst regional, saisonal und bio sein sollen. Produkte von weit her sollen weitestgehend vermieden werden und ansonsten aus fairem Handel stammen.
Die Entscheidung für eine rein vegetarische Kost sei ein Prozess gewesen, berichtet Behrendes. „Aus Klimaschutzgründen macht es eindeutig Sinn, auf Fleisch zu verzichten. Eine rein pflanzliche Ernährung wäre von der CO2-Bilanz her sogar noch besser. Uns ist es aber auch wichtig, dass unsere Speisen einen regionalen Bezug behalten und hier spielt die kleinbäuerliche Milch- und Käseproduktion einfach eine wichtige Rolle. Die Tatsache, dass in der Jubi sehr unterschiedliche Zielgruppen essenstechnisch zufrieden gestellt werden müssen, hat uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“
Es sei auch über den Ersatz des konventionellen Fleisches durch regionales Biofleisch nachgedacht worden, ergänzt Hausleiter Herz. „Da aber Biofleisch zu Recht teuer ist, müssten wir hier unsere Preise erhöhen, was für unsere sozial schwächeren Zielgruppen schmerzhaft wäre. Uns ist auch bewusst, dass Milch und Fleisch zusammenhängen. Da insgesamt aber viel mehr Fleisch konsumiert wird, als das, was als Nebenprodukt der Milchwirtschaft entsteht, denken wir, dass dem Gesamtsystem auf jeden Fall auch rein vegetarische Verpflegungsorte guttun.“
Dabei wollten sie niemanden dazu bringen, generell kein Fleisch mehr zu essen, betonen die Verantwortlichen der Jubi. Dazu meint Herz: „Letztlich bleiben die Gäste maximal eine Woche bei uns und bekommen hier leckeres, nachhaltiges Essen. Ob und was die Gäste von ihren Erfahrungen mit nach Hause mitnehmen, ist ihre Sache - und das ist auch gut so.“
Behrendes ergänzt: „Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören zu unseren wichtigsten Bildungsthemen und bei der Verpflegung kann man diese sehr unmittelbar und praxisnah aufgreifen. Dabei möchten wir keinesfalls eine dogmatische Haltung vermitteln, sondern viel mehr zum Nachdenken und Diskutieren anregen, was bei uns auf dem Teller landet und was alles damit zusammenhängt.“
Dabei erfolgt die Umstellung auf rein vegetarische Vollverpflegung bereits zum Jahreswechsel. Für die umfassende Umstellung auf eine möglichst regionale, saisonale Biokost gibt sich die Jubi bis Ende 2022 Zeit. Bis dahin sollen Rezepte optimiert, neue Lieferanten getestet und Preiskalkulationen erstellt werden.
„So eine Umstellung geht nicht von heute auf morgen“, stellt Helga Kolodziejczyk, Hauswirtschaftsleiterin der Jubi Hindelang, fest. „Wir sind froh, dass wir bereits seit mehr als zehn Jahren stark in diese Richtung denken und handeln und schon einige Erfahrungen sammeln konnten. Konsequent den Weg bis zum Ende zu gehen, ist trotzdem nochmal eine Herausforderung, denn am Schluss soll ja ein gutes Ergebnis stehen.“ Ein gutes Ergebnis für den Klimaschutz, die Hauswirtschaft und die Gäste – das wünscht sich das gesamte Team der Jugendbildungsstätte Hindelang.