Soweit der Alltag, wie auch wir Zuhörer ihn womöglich kennen und wie er manchen von uns genauso in den Burnout treiben mag wie Waghubingers Bauunternehmer. Dann aber kommt jener Extra-Schuss dazu, der diesen sanften Bühnenhelden so einzigartig macht: Die Geschichte vom Großwildjäger etwa, der seinem Sohn von den Afrika-Safaris immer Kuschelstofftiere mit heimbringt, die den tatsächlichen Jagdtrophäen entsprechen. Und der fürsorgliche Papa erzählt seinem Buam zum Einschlafen dann die Geschichten, wie er die echten Tiere abgeknallt hat. Geradezu beiläufig serviert werden solche Grusel-Miniaturen, ohne den Gong der Pointenhascherei. Ähnlich unspektakulär gerät ein Schlenker in Waghubingers theologische Domäne: „Du sollst dir kein Bild machen. Das hat Gott schon in den Bibelfilmen zu Moses gesagt.“ Man wird von derlei Doppelbödigkeiten eher sachte gestreift als überrumpelt, und so lässt man sich von diesem Gedankenstrom des leicht Absurden gerne forttreiben. Man erfährt, dass die roten Eichhörnchen gerade von den offenbar tafferen grauen hierzulande verdrängt werden, und wenn er doch mal ein rotes sehe, so Waghubinger, dann handle es sich bestimmt um ein graues mit Nuss-Allergie.
Zwischendurch spielt er am Stehtisch Monopoly mit sich selbst, würfelt, muss zur Pause des Abends „drei Runden aussetzen“. Waghubinger spricht viel vom Alleinsein, vom Selbermachen. Davon, dass er schon mit zwölf angefangen habe, Freunde zu verlieren. Der kleine Stefan könnte ein recht einsames, geradezu traumatisiertes Kind gewesen sein, das an Weihnachten mit einem lächerlichen Captain-Kirk-Kostüm samt Antenne und einer viel zu engen Strickjacke beschenkt wurde: „Wenn ich ein Schaf sehe, kriege ich noch heute Atemnot!“ Doch die Flucht ins Träumerische, sie dürfte ihn stets gerettet haben, und sie funktioniert nach wie vor. Ein Stern, dessen Lichtstrahl Milliarden Jahre zur Erde unterwegs war, wird – Zack“ – „einen halben Meter vor dem Eintreffen von meinem Sonnenschirm abgeblockt“, sinniert Waghubinger und macht uns deutlich: Das sind die wahren Tragödien! Ja, ein Duschgel sollte eher „Afrika“ heißen und nicht „Mecklenburg-Vorpommern“ - auch dies ist ihm wichtig: die Bewahrung des Zaubers, des Mystischen. Sachte zerlegt wird hingegen jedwede ökologische Illusion: „Ich habe nichts gegen die Natur, wenn die mit uns leben will, muss sie sich auch anpassen!“ Oder so: „Freiheit fängt dort an, wo du deine Grenzen nicht mehr siehst.“
Lauter Aphorismen, die noch eine Drehung mehr aufweisen. Worte, die den latenten Egoismus von uns allen beim Namen nennen, auch wenn er als Toleranz daherkommt: „Meine Frau war mit sich selber unzufrieden, und sogar das konnte ich verstehen.“ In aller Unschuld ist der Mann jedenfalls heilfroh, dass er sich (als Konsument) „am richtigen Ende der Kaffee-Kette“ befindet. Demgegenüber geradezu perfide dünkt Waghubingers Bauunternehmer sowieso der Chinese:
„Der ist nicht blöd. Der arbeitet so lange in Fabriken ohne Umweltstandards, bis es bei uns so heiß wird, dass wir für ihn den Reis anbauen!“ Wie gesagt, vollkommen realitätsnah, was er da nur uns zuraunt und sonst niemandem. Sogar Verschwörungstheorien können also ihren Charme haben. Trotz Maskenpflicht ansteckende Begeisterung im bosco. Thomas Lochte
